Wie stark es um das israelische Kino jüngst bestellt war, ließ sich in den vergangenen Monaten an vielen Orten beobachten. Sei es beim Filmfestival in Tokio vergangenen Herbst, wo Israel gleich eine ganze Programmsektion gewidmet war, oder im Februar bei der Berlinale, wo nach einer insgesamt bemerkenswerten Präsenz sogar der Goldene Bär an Nadav Lapid und seinen Film Synonymes ging. Nach solchen Erfolgen ist es nun aber vielleicht auch nur folgerichtig, dass bei den 72. Internationalen Filmfestspielen von Cannes, die am 14. Mai eröffnet werden und dann bis zum 25. Mai laufen, eine kleine Verschnaufpause eingelegt wird.
Während es der palästinensische Regisseur Elia Suleiman mit seinem Film It Must Be Heaven einmal mehr in den Wettbewerb um die Goldene Palme geschafft hat, sind israelische Filmemacher im diesjährigen Festivalprogramm so gut wie nicht präsent (was übrigens für ihre deutschen Kollegen genauso gilt). Eran Kolirin, dessen letzter Film Beyond the Mountains and Hills 2016 in Cannes Premiere feierte, hält die Fahne hoch – und das auch nur als Juror. Gemeinsam mit der französischen Regisseurin Claire Denis, der Schauspielerin Stacy Martin und anderen darf er Preise an die besten Kurz- und Studentenfilme vergeben, die in diesem Jahr an der Croisette zu sehen sind.
In den Nachwuchsreihen ist das israelische Kino dieses Jahr sehr stark vertreten.
militär Zu Gesicht bekommt Eran Kolirin dabei allerdings auch Arbeiten von anderen Israelis, denn die Nachwuchsreihen sind die einzigen, in denen das Kino aus dem jüdischen Staat stark vertreten ist. Gleich mehrere der Werke in der Kurzfilmreihe stammen von israelischen Regisseuren. Dekel Berenson – der schon im Alter von acht Jahren mit dem Camcorder seines Vaters drehte und nach seinem Militärdienst die Welt bereiste, bevor er in London Regie studierte – ist mit Anna vertreten. Der in der Ukraine spielende 15-Minüter ist eine ukrainisch-britisch-israelische Koproduktion – und hat es in sich. Es deutet viel darauf hin, dass man von Berenson noch viel hören wird.
Gerade einmal sieben Minuten lang ist Parparim, der neue Film von Yona Rozenkier, der mit Hatzlila – The Dive erst im vergangenen Jahr sein in Locarno und Toronto gefeiertes Langfilmdebüt gegeben hatte. Konkurrieren werden beide unter anderem mit der Schauspielerin Chloë Sevigny, die nicht nur im Zombiefilm The Dead Don’t Die zu sehen ist, mit dem Jim Jarmusch das Festival eröffnet, sondern auch mit ihrem eigenen Kurzfilm White Echo ins Rennen geht.
In der sogenannten Cinéfondation-Auswahl, für die Filmhochschulen aus der ganzen Welt insgesamt über 2000 Beiträge einreichten, stammt ebenfalls einer der 17 gezeigten Kurzfilme aus Israel. Yarden Lipshitz Louz vom Sapir College in Scha’ar HaNegev erzählt in Netek (Rift) von einer 15-Jährigen, die mit ihrem arbeitslosen Vater zusammenlebt. Andere Filme in dieser Sektion stammen unter anderem aus Südkorea, Österreich, Singapur, der Slowakei, den USA, Frankreich und den palästinensischen Gebieten.
GLAMOUR Auch die wichtigsten Programmreihen des Festivals, denen im Glanz und Glamour von Cannes der Löwenanteil der Aufmerksamkeit zuteilwird, sind wie in den Vorjahren von vielen jüdischen Regisseuren und Schauspielern geprägt. Im Wettbewerb beispielsweise präsentiert der New Yorker Regisseur Ira Sachs seinen neuen Film Frankie, mit dem er erstmals in seiner Karriere um die Goldene Palme konkurriert. Die Titelrolle in dem im Portugal-Urlaub spielenden Familiendrama hat Isabelle Huppert übernommen.
Gleich zwei jüdische Filmemacherinnen aus den USA sind auch in der wichtigsten Nebenreihe »Un Certain Regard« vertreten, jeweils mit ihrem Regiedebüt. Annie Silverstein erzählt in Bull von einem Teenager und einem alternden Stierkämpfer in Texas, während Port Authority der in Brooklyn lebenden Danielle Lessovitz von der Liebe eines jungen Mannes zu einer Transfrau handelt. Als Executive Producer wirkt an diesem Film niemand Geringeres als Martin Scorsese mit.
Mit Spannung erwartet: Lena Dunham als Manson-Groupie in Tarantinos neuem Film.
Apropos legendäre Hollywood-Regisseure: Once Upon a Time in Hollywood, der neue Film von Quentin Tarantino und dem britischen Produzenten David Heyman, wird schon allein wegen der Schauspieler Lena Dunham, Al Pacino und Leonardo DiCaprio viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sein Werk wird in Cannes genau 25 Jahre nach der dortigen Präsentation von Pulp Fiction gezeigt, der 1994 die Goldene Palme gewann – und Tarantino hat auch diesmal gute Chancen auf den besten Film.
Besonders stark vertreten wird in Cannes wie gewohnt auch das einheimische Kino sein. Zabou Breitman etwa, vor allem als Schauspielerin bekannt geworden, präsentiert an der Mittelmeerküste den von ihr mitinszenierten Animationsfilm The Swallows of Kabul über eine junge Liebe unter den Taliban. Mit besonders viel Spannung erwarten Cineasten aber auch Les plus belles années d’une vie von Altmeister Claude Lelouch. Der inzwischen 81-jährige Sohn eines algerischen Juden knüpft – außer Konkurrenz – darin an seinen Oscar-prämierten Erfolg Ein Mann und eine Frau von 1967 an – und vereint vor seiner Kamera sogar Jean-Louis Trintignant und Anouk Aimée.
gala Durch das Programm der Eröffnungsgala am 14. Mai wird der Komiker und Schauspieler Édouard Baer (Asterix) führen, der dafür bekannt ist, in seine Programme gern auch mal jüdische Witze einzubauen oder auf jüdische Traditionen zu verweisen. Der Pariser, dessen Familie aus dem Elsass stammt, war in gleicher Funktion bereits im Vorjahr sowie 2008 und 2009 verantwortlich. Wenn sich am 25. Mai dann die Vorhänge des Festivals wieder schließen und die begehrten Preise verliehen werden, ist Baer abermals im Einsatz. Und nicht nur das: Als Abschlussfilm der diesjährigen Festspiele in Cannes feiert die Komödie Hors Normes – The Specials ihre Weltpremiere, der neue Film des jüdischen Regie-Duos Olivier Nakache und Eric Toledano, das vor acht Jahren mit Ziemlich beste Freunde weltberühmt wurde.
Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes beginnen am 14. Mai.