Kino

Das Trauma des Boxers

Kino

Das Trauma des Boxers

»The Survivor« mit Ben Foster erzählt die Lebensgeschichte von Hertzko Haft, der im KZ Auschwitz um sein Überleben kämpfen musste

von Ayala Goldmann  28.07.2022 06:14 Uhr

Das Schauboxen von Häftlingen, die im KZ Auschwitz zur Belustigung der SS-Wachmannschaften ohne Handschuhe gegeneinander antreten mussten, gehört zu den erschütterndsten Foltermethoden der Nazis. Die Unterlegenen wurden meist erschossen oder in den Gaskammern ermordet; die Überlebenden litten zeitlebens an Schuldgefühlen.

Ihr Leiden liefert immer wieder dramatischen Stoff für Bücher und Spielfilme. Mit Triumph des Geistes wurde 1989 die Geschichte des Boxers Salamo Arouch in Hollywood mit Willem Dafoe in der Hauptrolle verfilmt; der Boxer Noah Klieger erzählte dem Spiegel-Autor Takis Würger unter anderem von seinem Martyrium in Auschwitz. Daraus entstand das 2021 erschienene Buch Noah – Von einem, der überlebte.

schöpfer Nun hat sich Hollywood-Regisseur Barry Levinson, Schöpfer von Good Morning, Vietnam und Rain Man, der Geschichte eines weiteren Auschwitz-Boxers angenommen. Held von Levinsons neuem Film The Survivor ist der polnische Jude Hertzko (Harry) Haft, der mehrere KZs überlebte, nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigrieren konnte und dort als Profiboxer scheiterte, nicht zuletzt an mafiösen Strukturen.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

The Survivor mit Ben Foster in der Titelrolle beruht auf den Erinnerungen Harry Hafts, die dessen Sohn, Alan Scott Haft, für seinen Vater aufgeschrieben hat. The Survivor wird seit dem 27. April auf HBO gezeigt und kommt ab diesem Donnerstag in deutsche Kinos.

Die Überlebenden litten zeitlebens an Schuldgefühlen.

Ein Film, der vor allem von Ben Foster getragen wird – der Hauptdarsteller hatte für die Rolle des Harry in Auschwitz Dutzende Kilo abgenommen und für die als Profiboxer in den USA wieder zugelegt. Harry Haft, ein traumatisierter und auch gegenüber seiner Frau und seinen Kindern gewalttätiger Mann, ist in Fosters Interpretation kein eindeutiger Sympathieträger, aber ein Mensch, dessen Trauma sich tief in Mimik und Körpersprache eingegraben hat. Das bringt Foster besonders gut zum Ausdruck, wenn er zurückhaltend agiert.

SCHWARZ-WEISS-SZENEN Allerdings machen die in Schwarz-Weiß gehaltenen, allzu schematischen Szenen im KZ Auschwitz den Film nicht zu einem Kinoerlebnis, das sich etwa mit Sophies Entscheidung von 1982 vergleichen könnte, wo es um das Überleben einer Mutter auf Kosten der eigenen Tochter geht. Nur eine einzige Schwarz-Weiß-Szene in The Survivor überzeugt, als Hertzko Haft gezwungen wird, gegen seinen Freund anzutreten, und vergeblich versucht, sich zu weigern. Hier wirkt die Handlung differenziert.

Leider drücken andere KZ-Szenen – wie das »Awinu Malkenu« an Jom Kippur in einer Baracke – und manchmal auch die (über weite Strecken sehr eindringliche) Filmmusik von Hans Zimmer mit den offenbar unvermeidlichen Streichern allzu stark auf die Tränendrüse.

Der Film beginnt im Jahr 1963 am Strand von Brighton Beach, wo Harry von Erinnerungen an seine Jugendliebe Leah überwältigt wird. Seit Kriegsende hat Harry nach Leah gesucht, nun gibt es eine Chance, den Kreis zu schließen. Doch der komplizierte Erzählstrang – die Auflösung beginnt erst nach eineinhalb Stunden – und die drei ineinander verschachtelten Zeitebenen machen es dem Zuschauer nicht leicht. Wer die Lebensgeschichte Harry Hafts besser verstehen will, ist gut beraten, zuerst das Buch seines Sohnes zu lesen, das 2009 auch auf Deutsch erschienen ist.

Alan Scott Haft: »Eines Tages werde ich alles erzählen. Die Überlebensgeschichte des jüdischen Boxers Hertzko Haft«.
Die Werkstatt, Göttingen 2009, 192 S., 16,90 €

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«- Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Ganz ohne Spezialeffekte und Animation: In Michel Fesslers »Bambi«-Neuauflage stehen echte Tiere vor der Kamera. Das Buch wurde einst von den Nazis verboten

von Sabine Glaubitz  28.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025