Das Schauboxen von Häftlingen, die im KZ Auschwitz zur Belustigung der SS-Wachmannschaften ohne Handschuhe gegeneinander antreten mussten, gehört zu den erschütterndsten Foltermethoden der Nazis. Die Unterlegenen wurden meist erschossen oder in den Gaskammern ermordet; die Überlebenden litten zeitlebens an Schuldgefühlen.
Ihr Leiden liefert immer wieder dramatischen Stoff für Bücher und Spielfilme. Mit Triumph des Geistes wurde 1989 die Geschichte des Boxers Salamo Arouch in Hollywood mit Willem Dafoe in der Hauptrolle verfilmt; der Boxer Noah Klieger erzählte dem Spiegel-Autor Takis Würger unter anderem von seinem Martyrium in Auschwitz. Daraus entstand das 2021 erschienene Buch Noah – Von einem, der überlebte.
schöpfer Nun hat sich Hollywood-Regisseur Barry Levinson, Schöpfer von Good Morning, Vietnam und Rain Man, der Geschichte eines weiteren Auschwitz-Boxers angenommen. Held von Levinsons neuem Film The Survivor ist der polnische Jude Hertzko (Harry) Haft, der mehrere KZs überlebte, nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA emigrieren konnte und dort als Profiboxer scheiterte, nicht zuletzt an mafiösen Strukturen.
The Survivor mit Ben Foster in der Titelrolle beruht auf den Erinnerungen Harry Hafts, die dessen Sohn, Alan Scott Haft, für seinen Vater aufgeschrieben hat. The Survivor wird seit dem 27. April auf HBO gezeigt und kommt ab diesem Donnerstag in deutsche Kinos.
Die Überlebenden litten zeitlebens an Schuldgefühlen.
Ein Film, der vor allem von Ben Foster getragen wird – der Hauptdarsteller hatte für die Rolle des Harry in Auschwitz Dutzende Kilo abgenommen und für die als Profiboxer in den USA wieder zugelegt. Harry Haft, ein traumatisierter und auch gegenüber seiner Frau und seinen Kindern gewalttätiger Mann, ist in Fosters Interpretation kein eindeutiger Sympathieträger, aber ein Mensch, dessen Trauma sich tief in Mimik und Körpersprache eingegraben hat. Das bringt Foster besonders gut zum Ausdruck, wenn er zurückhaltend agiert.
SCHWARZ-WEISS-SZENEN Allerdings machen die in Schwarz-Weiß gehaltenen, allzu schematischen Szenen im KZ Auschwitz den Film nicht zu einem Kinoerlebnis, das sich etwa mit Sophies Entscheidung von 1982 vergleichen könnte, wo es um das Überleben einer Mutter auf Kosten der eigenen Tochter geht. Nur eine einzige Schwarz-Weiß-Szene in The Survivor überzeugt, als Hertzko Haft gezwungen wird, gegen seinen Freund anzutreten, und vergeblich versucht, sich zu weigern. Hier wirkt die Handlung differenziert.
Leider drücken andere KZ-Szenen – wie das »Awinu Malkenu« an Jom Kippur in einer Baracke – und manchmal auch die (über weite Strecken sehr eindringliche) Filmmusik von Hans Zimmer mit den offenbar unvermeidlichen Streichern allzu stark auf die Tränendrüse.
Der Film beginnt im Jahr 1963 am Strand von Brighton Beach, wo Harry von Erinnerungen an seine Jugendliebe Leah überwältigt wird. Seit Kriegsende hat Harry nach Leah gesucht, nun gibt es eine Chance, den Kreis zu schließen. Doch der komplizierte Erzählstrang – die Auflösung beginnt erst nach eineinhalb Stunden – und die drei ineinander verschachtelten Zeitebenen machen es dem Zuschauer nicht leicht. Wer die Lebensgeschichte Harry Hafts besser verstehen will, ist gut beraten, zuerst das Buch seines Sohnes zu lesen, das 2009 auch auf Deutsch erschienen ist.
Alan Scott Haft: »Eines Tages werde ich alles erzählen. Die Überlebensgeschichte des jüdischen Boxers Hertzko Haft«.
Die Werkstatt, Göttingen 2009, 192 S., 16,90 €