Der 17-jährige Abram Tuszynski flieht wie viele Juden im Zarenreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor den Pogromen und dem Zugriff der Armee. Er träumt davon, in Amerika ein neues Leben als Schneider anzufangen. In Rotterdam muss er einige Wochen auf ein Schiff warten und entdeckt in der Stadt eine Attraktion: die bewegte Fotografie. Statt in die USA zu gehen, bleibt er in den Niederlanden, nennt sich fortan Abraham Tuschinski und steigt ins Kinogeschäft ein.
art déco In Amsterdam macht er 1921 seinen Lebenstraum wahr – einen Tempel für die Cinematografie zu bauen. Am 28. Oktober eröffnet in der Reguliersbreestraat das Theater Tuschinski. Den vier Millionen Gulden teuren Bau – seinerzeit ein Vermögen – hat der renommierte Architekt Hijman Louis de Jong entworfen, in einem Stilmix aus Art Déco und Neugotik. Die Fassade mit ihren zwei stilisierten Türmen ist mit glasierten Ziegeln, Keramikskulpturen und schmiedeeisernen Gittern und Lampen verziert. Innen bietet der Filmpalast 1600 Zuschauern Platz in einem luxuriösen Ambiente. Ein zweiter, kleinerer Saal mit 250 Sitzplätzen dient Varieté- und Cabaretvorstellungen. Alle wichtigen Kinofilme der Ära erleben im Theater Tuschinski ihre Aufführung.
In einer Koproduktion mit Polski Radio Lublin erzählt der Deutschlandfunk am Freitag, den 14. Dezember, um 20.10 Uhr die Geschichte des Theaters Tuschinski und das Schicksal seines Schöpfers. 1940 besetzen die Deutschen die Niederlande. Tuschinkis Kinos werden »arisiert«, er selbst 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Nach der Befreiung 1944 erhält das von den Nazis in »Tivoli« umgetaufte Tuschinski seinen alten Namen wieder. 1998 wird es aufwändig renoviert und gilt heute als das schönste Kino der Welt. ja
»Das schönste Kino der Welt. Der große Traum des Abraham Tuschinski«. Feature von Lou Brouwers. Deutschlandfunk, Freitag, 14. Dezember, 20.10 Uhr