Natürlich sind Filme das einzig wahre Mittel, um von Steven Spielberg zu erzählen – dem mit Abstand erfolg- und einflussreichsten Filmemacher der Welt, dessen Filme bisher mehr als zehneinhalb Milliarden Dollar eingespielt haben, die als Produzent nicht mitgerechnet. Der uns seit mehr als einem halben Jahrhundert bestens unterhält. Der, wie er selbst sagt, sein Geld damit verdient, zu träumen. Und der am Samstag nun 75 Jahre alt wird.
Verrückterweise ist der erste Film dieser Erzählung gar nicht von ihm selbst. 2011 kam J.J. Abrams’ Super 8 ins Kino: 1979 in der ländlichen Einöde von Ohio drehen Teenager einen Zombie-Film, als ein mysteriöser Zug just neben dem Filmset spektakulär entgleist. Diese Geschichte eines Jungen, der, mit einer unkontrollierbaren Situation konfrontiert, zwischen Gut und Böse unterscheiden muss, ist eine liebevolle wie großartige Hommage an Abrams’ Vorbild und Mentor Spielberg.
Spielbergs Genie besteht darin, dem Leid mit Hoffnung zu begegnen.
Der hat als Zwölfjähriger angefangen, mit der Super-8-Kamera seines Vaters Filme zu drehen. Kriegsfilme und Sci-Fi mit reichlich Action und mit großer Unterstützung durch seine Eltern. Mal machte seine Mutter, eine Konzertpianistin, aus Kirschen Kunstblut, mal sorgte sein Vater, ein Kriegsveteran und Computerspezialist, dafür, dass der Sohn in alten Flugzeugen drehen durfte.
EINFLUSS Seine Eltern, deren Familien als jüdische Einwanderer aus der Ukraine in die USA gekommen waren, hätten den größten Einfluss auf sein Leben gehabt, betonte Spielberg in einer Rede vor Harvard-Absolventen 2016. Später kamen Filmemacher dazu. Idole und Freunde wie Kubrick, Ford, Bergman und Kurosawa.
Er wusste früh, was er machen wollte. Obwohl ihn die kalifornischen Filmhochschulen mehrfach ablehnten, öffnete ihm schließlich sein Kurzfilm Amblin die Tür nach Hollywood. Universal-Produzent Sidney Sheinberg erkannte das Talent und verschaffte Spielberg einen Sieben-Jahres-Vertrag in der TV-Sparte. Wenn es funktioniert, könne er sich auch im Kino versuchen, so das Versprechen. Das tat es.
Mit 24 drehte Spielberg den Autojagd-Thriller Duell. Kurz darauf nannten Kritiker ihn bereits »Wunderkind«. Den großen Durchbruch, der gleichzeitig als Geburt des Blockbustergenres in die Filmgeschichte eingegangen ist, schaffte er mit knapp 29: Der weiße Hai spielte eine Rekordsumme von 472 Millionen Dollar ein. Danach jagte ein Hit den nächsten: Unheimliche Begegnung der dritten Art, die Indiana Jones-Abenteuer, E.T., Jurassic Park.
Aber da fehlt noch etwas. Spielberg nennt seine Erfolge der ersten Jahrzehnte Eskapismus-Kino, doch 1985 verfilmte er den Roman Die Farbe Lila über das Schicksal einer Afroamerikanerin in den Südstaaten Anfang des 20. Jahrhunderts. »Dieser Film öffnete mir die Augen für Erfahrungen, die ich mir nicht vorstellen konnte, die aber allzu real waren. Eine Geschichte voll tiefen Schmerzes und tiefer Wahrheit. Ich begriff, dass ein Film auch eine Aufgabe sein kann.«
SCHOA Bereits 1982 hatte Spielberg die Rechte an dem Buch Schindlers Liste gekauft, doch da habe er sich für das Thema emotional nicht bereit gefühlt. Er war mit Geschichten über die Schoa groß geworden.
Zu Hause wurde immer offen darüber gesprochen, dass Verwandte ermordet worden waren. Seine Großmutter gab Überlebenden Englischunterricht und erzählte von deren Schicksalen. Einer von denen hatte dem kleinen Steven die Zahlen beigebracht. »Er hat seinen Ärmel hochgeschoben und gesagt ›Das ist eine Vier, das eine Sieben, das eine Zwei …‹«
1993 kam Schindlers Liste in die Kinos, und Spielberg gewann seinen ersten Regie-Oscar. Er habe es seiner Frau zu verdanken, dass er die Dreharbeiten unversehrt überstanden habe – und zwar »mit intaktem Herzen«. Auch seine Kinder waren dabei. »Ich wollte, dass sie das sehen.«
1994 gründete Spielberg die Shoah Foundation, eine NGO, die der Bewahrung und akademischen Bereitstellung von heute fast 60.000 Interviews mit Überlebenden und Zeugen dient. Zuletzt sind auch Zeugnisse jüngerer Genozide wie in Ruanda und Armenien dazugekommen. »Weil wir niemals vergessen dürfen, dass das Unvorstellbare nicht ein Mal passiert, sondern andauernd. Wir müssen nicht nur fragen, wann dieser Hass endlich endet, sondern auch, wie er angefangen hat«, sagte Spielberg in Harvard.
MEISTERWERKE Neben grandiosem Eskapismus-Kino von Catch me if you can bis zu seinem neuen Film West Side Story, der gerade in mehreren Kategorien für die Golden Globes nominiert wurde, sind Filme, »die auch eine Aufgabe sind«, fester Bestandteil von Spielbergs Filmografie, sei es das Meisterwerk Der Soldat James Ryan oder München.
Spielbergs Genie besteht aber auch darin, tragikomische Hybride zu schaffen, die dem Leid immer wieder mit Hoffnung begegnen wie in Terminal oder Bridge of Spies. Überhaupt: Hoffnung! Das Nicht-Aufgeben, das Sich-der-Situation-stellen, und sei sie noch so ausweglos, macht Spielberg zu einem der lebensbejahendsten Regisseure überhaupt.
Und er hat sogar einst die Quelle seines unerschütterlichen Optimismus verraten: »Wenn es das Paradies gibt, was hoffen Sie, wird Gott bei Ihrer Ankunft sagen?«, wurde er gefragt. Der Regisseur lächelte und antwortete: »Danke fürs Zuhören.«