Er zählte zu den wichtigsten Theaterkünstlern in Deutschland im 20. Jahrhundert: Fritz Wisten (eigentlich Moritz Weinstein, 1890–1962). Es war seine Inszenierung von Nathan der Weise, mit der das Deutsche Theater in Berlin im September 1945 wiedereröffnete. Damals war der Wiener Jude ein Bühnenveteran, seine Karriere hatte bereits kurz vor dem Ersten Weltkrieg begonnen.
Seit 1921 am Württembergischen Landestheater engagiert, zählte er zu den bekanntesten Schauspielern. In Stuttgart lernte er auch seine spätere Frau kennen – Gertrud Widmann, die posthum von Yad Vashem als »Gerechte unter den Völkern« geehrt wurde. Während der Nazi-Herrschaft hatte Wisten, obwohl er als Jude selbst verfolgt wurde, mit Unterstützung seiner Frau anderen Verfolgten Unterschlupf gewährt. An diesen Mut erinnert seit 2014 auch eine Gedenktafel an seinem früheren Wohnhaus im Waldsängerpfad 3 im Berliner Stadtteil Nikolassee.
kulturbund Als Wisten nach der Machtergreifung fristlos entlassen wurde, ergab sich eine Möglichkeit, in seinem Metier weiterzuarbeiten, und zwar für den im Juli 1933 in Berlin gegründeten Jüdischen Kulturbund. Während des Novemberpogroms 1938 wurde Wisten im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert. Fünf Tage später kam er wie durch ein Wunder wieder frei und durfte das Theater des Kulturbundes weiter leiten.
Als die Gestapo 1941 den Jüdischen Kulturbund auflöste, war Wisten aufgrund der »privilegierten Mischehe« mit seiner nichtjüdischen Ehefrau zunächst vor einer Deportation geschützt.
Als die Gestapo 1941 den Jüdischen Kulturbund auflöste, war Wisten aufgrund der »privilegierten Mischehe« mit seiner nichtjüdischen Ehefrau zunächst vor einer Deportation geschützt. Bis zum Kriegsende leistete er Zwangsarbeit in einer Fabrik. Unmittelbar nach der Befreiung konnte Wisten seine Theaterkarriere erfolgreich fortsetzen. Zuerst übernahm er die Direktion des Theaters am Schiffbauerdamm, danach die der Volksbühne im Osten Berlins.
nachfahren Um das von der Familie bewohnte Haus und das Schicksal seiner Bewohner geht es in dem neuen Buch Das Haus am Waldsängerpfad. Wie Fritz Wistens Familie in Berlin die NS-Zeit überlebte von Thomas Blubacher, der auch Gespräche mit den Nachfahren Wistens geführt hat. Im Haus am (heutigen) Waldsängerpfad, das 1929/30 von dem berühmten Architekten Peter Behrens geplant wurde, fand Wisten kurz nach Beginn seiner Arbeit für den Jüdischen Kulturbund eine passende Bleibe für seine Familie.
Blubacher erzählt die Geschichte derjenigen, die während der Nazizeit dort wohnten, ein- und ausgingen und zum Teil auch ein temporäres Versteck fanden. So ist das Buch mit Namen von jüdischen und nichtjüdischen Personen gespickt, aber auch von Nazi-Größen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnten – ein denkwürdiges Kapitel Berliner Stadtgeschichte.
Thomas Blubacher: »Das Haus am Waldsängerpfad. Wie Fritz Wistens Familie in Berlin die NS-Zeit überlebte«. Berenberg, Berlin 2020, 192 S., 22 €