Manchmal gibt es Filme, die aus der wirklichen Leidenschaft für ein Thema entstehen. Man merkt ihnen an, dass jedes Bild mit detailverliebter Akribie und auch mit einem Hang zur Verklärung komponiert wurde. Das kann mal gut, mal schlecht ausgehen. Gut vor allem dann, wenn die Filmemacher wissen, wovon sie sprechen. Und schlecht, wenn die Regisseure dem Charme ihres eigenen Sujets auf den Leim gehen.
Wenn jedoch die Regisseure Joel und Ethan Coen heißen und mit Hail, Caesar! nun einen solchen leidenschaftlichen Film über das Hollywood der 50er-Jahre vorlegen, dann ist die Gefahr einer missratenen Kitsch-Leier weitgehend gebannt. Schließlich haben die Coens bereits 1991 mit Barton Fink eine hervorragende Satire über die Traumfabrik geschaffen. Außerdem wissen die beiden Oscarpreisträger, wie man das rechte Maß auf sensible Geschichten anwendet: Die Dosis macht das Gift.
rabbiner Gescheitert ist jedenfalls kaum eines ihrer Werke, schon gar nicht Hail, Caesar!. In dem neuen, spaßigen Coen, der vergangene Woche die 66. Berlinale eröffnet hat, gibt es zum Beispiel eine Szene, in der Eddie Mannix (Josh Brolin), der hochrangige Angestellte im Hollywood-Studio Capitol, mit Vertretern der wichtigsten Religionen, darunter ein Rabbiner und ein Priester, an einem Tisch sitzt und über ein Drehbuch debattiert.
Jenes zu Hail, Caesar! nämlich, einem Film im Film, der stark an The Robe mit Richard Burton erinnert, in dem ein römischer Soldat das Totengewand von Jesus an sich nimmt, was ihn ins Verderben führt. »Es geht uns um die theologisch akkurate Christus-Darstellung«, sagt Mannix. Die Gläubigen aber haben ganz unterschiedliche Auffassungen von Jesus – und geraten darüber heftig ins Streiten.
Immer dann, wenn gegensätzliche Auffassungen aufeinanderprallen, entstehen Konflikte – sie sind die Bausteine der dramatischen Erzählung. Aber sie können – wie eben bei Hail, Caesar! – auch als witzige, charmante Angelpunkte in einer Komödie funktionieren. Diese Doppelbedeutung haben die Coens schon früh erkannt. Bei ihren Filmen führen meist die Konflikte zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, Bildungsgrades oder sozialen Status zum eigentlichen humorigen Kern der Sache. Oft so trocken, dass einem das Lachen vergehen kann.
lobgesang Hail, Caesar! nimmt sich trotz der Diskrepanz zwischen der moralisch anständigen Welt da draußen und der verruchten, amoralischen Gegenwart in den sündigen Filmstudios von Hollywood ausgesprochen balanciert aus und ist am Ende gar nicht so bissig, wie er zunächst erscheint. Vielmehr ist er Satire und Ode zugleich: ein Lobgesang auf eine Industrie, die auf nichts Rücksicht nimmt, außer auf das Geld der Menschen, die es in die Kinos tragen.
Der Film erzählt wie so oft bei den Coen-Brüdern eine völlig abstruse Geschichte: Der Hollywoodstar Baird Whitlock, gespielt von George Clooney, interpretiert in bester Richard-Burton-trifft-Robert-Taylor-Manier einen römischen Soldaten im Gewissenskonflikt zwischen Mono- und Polytheismus. Doch in einer Drehpause des Sandalenfilms wird Whitlock kurzerhand entführt. Als er zu sich kommt, findet er sich unter einer Gruppe von Kommunisten wieder, die 100.000 Dollar Lösegeld für ihn fordern.
Für den Studio-Problemlöser Eddie Mannix, der die Hauptfigur des Films spielt, ist das bloß »Kleingeld«. Die Summe ist rasch beisammen und soll übergeben werden, denn Zeit ist Geld, und jeder verlorene Drehtag, an dem Hail, Caesar! nicht weitergedreht werden kann, weil sein Hauptdarsteller fehlt, geht in die Millionen. Zudem vermutet die Yellow Press hinter Whitlocks Verschwinden schon wieder eine Affäre samt Exzessen und Alkoholabsturz. Hollywood war eben schon immer lasterhaft.
bitterböse Dazwischen kredenzen die Coens eine erfrischend-spaßige Melange aus Besuchen bei den Dreharbeiten zahlreicher fiktiver Hollywood-Produktionen, die 1951 gerade am Gelände der Capitol-Studios entstehen. Unter anderem mit dabei ist ein einsilbiger Westernheld (Alden Ehrenreich), der plötzlich die Hauptrolle in einem Drama spielen soll und daran scheitert.
Eine wichtige Rolle spielt auch eine schwangere Hollywood-Schönheit (Scarlett Johansson), deren Bauch nicht mehr so recht ins Meerjungfrauenkostüm ihres aktuellen Films passen will. Ein weiterer Höhepunkt ist der steppende Channing Tatum (The Hateful Eight) im Seefahrerkostüm – ein buntes Sammelsurium an witzigen, satirischen und zuweilen auch bitterbösen Geschichten aus der Traumfabrik.
Allein diese Wiedergeburt der einstigen Illusionsmaschinerie von Hollywood lohnt das Zuschauen – zumal Joel und Ethan Coen die Reproduktion dieser Epoche bis ins kleinste Detail durchdacht haben. Ihre Choreografien und Stepptänze, die galanten Western-Ritte und die dramatischen Auftritte im Marlene-Dietrich-Licht bieten von Kameramann Roger Deakins ebenso opulent wie historisch korrekt gefilmte Bilder.
Halstuchszene Wenn das Ganze dann noch von einer kettenrauchenden Cutterin (Joel Cohens Frau Frances McDormand) als Sprecherin vorgetragen wird, die am Schneidetisch beinahe elendig krepiert, bekommt das Coen’sche Universum nicht nur eine Lachnummer hinzugefügt, sondern auch die beste Halstuchszene der Filmgeschichte.
Der brodelnde Ruhepol der Geschichte ist allerdings Josh Brolin, der als Mannix die explodierenden Budgets seiner Filme und die Launen seiner Regisseure unter Kontrolle zu haben scheint. Mannix macht das mit viel Disziplin: Er ist ein strenggläubiger Katholik, der täglich die Beichte ablegt.
Zwei Zigaretten habe er wieder geraucht, und das, obwohl er aufhören wollte, gesteht er dem Priester. Fünf »Ave Maria« bekommt er dafür aufgebrummt. Das ist gerade das rechte Maß für Menschen wie Mannix: Kleine Strafen helfen ihm, die große Lüge Hollywood zu verkraften.