Frau Altaras, Sie waren 2012 beim Gemeindetag des Zentralrats in Hamburg – und jetzt wieder beim Gemeindetag in Berlin. Wie war Ihr Eindruck?
Ich war ziemlich begeistert, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass es so ein Riesenunternehmen wird. Es war sehr gut organisiert. Aber vor allem hat man am Programm gesehen, dass sich die Thematik verändert hat. Es ging weniger um die Schoa und mehr um aktuelle Fragen wie Islamismus, Religiosität und die Entwicklung der Gemeinden. Das ist ein gutes Zeichen.
Was hat Ihnen noch gefallen?
Die Orthodoxen haben sich viel mehr an Diskussionen beteiligt als früher. Sie haben sich nicht nur zum Beten zurückgezogen, sondern sie haben sich in die aktuellen politischen Themen eingemischt.
Das Motto lautete »Ein Dach, eine Familie«. Gab es auch Familienkrach?
Ich finde, es ging zivil zu. In dem Panel zu interreligiösen Familien, das ich moderiert habe, war die Diskussion zwar vehement und heftig, und es kam auch nicht zu einer Einigung. Aber es wurde nicht unter der Gürtellinie diskutiert. Es ging um die Nöte von Kindern jüdischer Väter. Die Rabbiner haben Verständnis geäußert, konnten als einzige Möglichkeit aber nur den Übertritt zum Judentum anbieten. Ich denke allerdings, dass die jüdischen Gemeinden sicherlich Zwischenschritte einbauen könnten, um diesen Menschen zu helfen. Es hat sich gezeigt: Viele Diskussionsteilnehmer wünschen sich zum Beispiel vom Zentralrat und den Gemeinden, dass auch Kinder jüdischer Väter an Machanot teilnehmen können.
Wie haben Sie den kulturellen Teil erlebt?
Das Essen war der Hammer. Ich habe noch nie in meinem Leben so gut koscher gegessen. Wenn Juden gut essen, dann können sie danach gut diskutieren. Ich habe überhaupt kein Gemecker über das Essen gehört. Das ist doch höchst erstaunlich, dass alle zufrieden waren!
Manche Gemeindemitglieder wenden ein, der Gemeindetag sei zu groß und zu kostspielig. Finden Sie diese Kritik berechtigt?
Sicherlich könnte man sparen, auch am Essen. Aber ich glaube, dass die Wirkung eines solchen Gemeindetags nicht zu unterschätzen ist. Es gab Momente, da standen 200 bis 300 Menschen herum und unterhielten sich gleichzeitig. Wo gibt es sonst ein solches jüdisches Gemeinschaftserlebnis? Wäre das Essen schlecht gewesen, wären die Leute ins Restaurant gegangen – oder hätten beleidigt in ihren Zimmern gesessen.
Nach dem Gemeindetag ist vor dem Gemeindetag. Wann sollte Ihrer Meinung nach das Treffen wieder stattfinden?
Ich glaube, eine solche Veranstaltung kann man nicht jedes Jahr stemmen. Es muss auch die Chance zur Weiterentwicklung geben. Seit dem Gemeindetag 2012 in Hamburg habe ich eine große Veränderung erlebt. Das wäre innerhalb eines Jahres nicht möglich.
Mit der Schauspielerin und Schriftstellerin sprach Ayala Goldmann.