Film

Das Erbe des Rudolf Höß

Maya Lasker-Wallfisch mit Kai und Hans Jürgen Höss (v.l.) in der Gedenkstätte Auschwitz Foto: © 2024 Warner Bros. Entertainment Inc.

Diesen Film muss man gesehen haben: Der Schatten des Kommandanten von Daniela Völker (ab 14. Februar auf Sky) ist eine zwingende Ergänzung zu Jonathan Glazers Oscar-prämiertem Spielfilm The Zone Of Interest über das Privatleben von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß, seiner Frau Hedwig und ihren fünf Kindern, die in einer Villa mit großem Garten neben dem NS-Vernichtungslager aufwuchsen – lediglich durch eine Mauer getrennt von der Mordmaschinerie. Doch im Gegensatz zu Glazer hat Völker in der Original-Villa gedreht.

Und während der britische Regisseur das Grauen nur in der Tonspur hörbar macht, treffen in der Doku Menschen zusammen, die auf beiden Seiten der Mauer lebten oder überlebten: die Jüdin Anita Lasker-Wallfisch (98), die sich als Cellistin im Lagerorchester retten konnte und das zweitjüngste Kind des Auschwitz-Kommandanten, Hans Jürgen Höss (87). Dazu der Enkel Kai Höss (62), der Pfarrer einer freikirchlichen Gemeinde in Stuttgart geworden ist. Maya Lasker-Wallfisch (66), die als Therapeutin und Autorin arbeitet, hat die Begegnung vermittelt. Sie findet im Wohnzimmer ihrer Mutter Anita in London statt, bei Kaffee und Kuchen.

Versöhnungskitsch? Mitnichten

Versöhnungskitsch? Mitnichten. Die Protagonisten haben einen glaubwürdigen Weg zurückgelegt und stellen sich im Film ihren Traumata – außer der mittlerweile verstorbenen Höß-Tochter Ingebrigitt. Als Klammer dient die Autobiografie des 1947 hingerichteten Rudolf Höß, der in Kommandant in Auschwitz schonungslos den Massenmord an den Juden beschrieb. Hans Jürgen Höss, der eine »schöne Kindheit« im Gedächtnis abspeicherte – das Buch, meint er sich zu erinnern, habe er nie besessen –, liest diese Autobiografie nun, reist nach Auschwitz und stellt sich in eigenen Worten dem, was sein Vater »getan« hat.

Der Enkel Kai Höss wiederum arbeitet sich an der Torastelle ab, laut der Gott »die Missetat der Väter an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied« heimsuchen wird. Doch Jesus, ist Höss überzeugt, könne den Fluch brechen. Darin, zum »auserwählten Volk« zu gehören, kann Anita Lasker-Wallfisch mit ihrem grimmigen Humor keinen Vorteil erkennen – aber der Film, von Yad Vashem als außergewöhnliche Holocaust-Dokumentation ausgezeichnet, hält auch diese Spannung aus.

Die Hoffnung, die er vermittelt, ist nötiger denn je. Auf die Frage, wie sie nach dem 7. Oktober zu ihrer Entscheidung stehe, nach Berlin gezogen zu sein, sagt Maya Lasker-Wallfisch nach einer Vorab-Filmvorführung im Juni 2024 in Berlin: »Ich habe auch dunkle Tage. Aber ich bereue es nicht.«

Ab 14. Februar bei Sky und WOW

Europa

Spanien stellt Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ESC infrage

Beim Eurovision Song Contest soll es eigentlich um Musik gehen. Doch die Politik spielt immer öfter mit hinein. Aktuell droht eine neue Debatte um Israel. Grund ist der Krieg im Gazastreifen

 14.04.2025

Geistesgeschichte

»Wirklicher Liberalismus«

Die Biografie des Politikwissenschaftlers Adolf Grabowsky zeigt exemplarisch, warum Konservatismus und Fortschritt keine Gegensätze sein müssen

von Matthias Oppermann  14.04.2025

Interview

Günther Jauch: Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  11.04.2025

UNESCO

Talmud-Handschrift zu Weltdokument ernannt

Das Weltdokumentenerbe vereint Buchbestände, Handschriften, Partituren, Bild-, Ton- und Filmaufnahmen von außergewöhnlichem Wert für die Menschheitsgeschichte

 11.04.2025

10. Todestag

Zwischen Erinnerung und Engagement: Günter Grass heute

Literarisch brachte er es zu höchsten Ehren, politisch war er ein kritischer Wegbegleiter der Bundesrepublik, aber auch ein gescheiterter Moralist. Ein Zeitzeuge erinnert sich an Günter Grass als verlässlichen Freund

von Klaus Blume  11.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  11.04.2025

Deichbrand-Festival

Macklemore-Auftritt: Kulturwissenschaftlerin rät von Konzertabsage ab

Sie empfiehlt den Festival-Veranstaltern, das Konzert mit Diskussions- und Informationsveranstaltungen zu begleiten

 11.04.2025

Kulturkolumne

Freiheit schmeckt nach mehr als Mazzeknödel

Das Menü soll weniger aschkenasisch aussehen: Warum es bei meinem Sederabend auch Mina de Espinaca gibt

von Laura Cazés  11.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Omas Makronen oder Wie schmeckt Erinnerung?

von Nicole Dreyfus  11.04.2025