Herr Paz, es ist Veganuary, der Monat, der dem veganen Lifestyle gewidmet ist. Wie geht es Ihnen damit?
Jeder Veganuary ist eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, was im vergangenen Jahr gelaufen ist, und einen Blick auf den Fortschritt zu werfen. Es freut mich, all diese Menschen zu sehen, die den Veganuary für sich ausprobieren. Es werden immer mehr. Und für uns als Unternehmen ist dieser Veganuary auch besonders, denn wir sind gerade in den USA an den Markt gegangen. Das vergangene Jahr war für »Vegan Friendly« einfach verrückt.
Reichen denn vier Wochen, um sich ein komplettes Bild vom veganen Lebensstil zu machen?
Nun, das, worauf es ankommt, ist ja, eine Gewohnheit zu ändern. Es gibt Studien, wonach es drei Wochen braucht, um eine Gewohnheit zu ändern – welche auch immer das ist. Wenn Sie beispielsweise mit dem Laufen anfangen wollen, dann sind drei Wochen auch ein entscheidender Zeitraum, um sich an diesen neuen Habitus zu gewöhnen.
Wann haben Sie sich entschieden, Veganer zu werden?
Vor elf Jahren. Bis dahin war ich begeisterter Fleischesser. Das änderte sich, als ich die Dokumentation eines amerikanischen Aktivisten sah. Für mich war nun klar, dass ich Veganer werde. Einige Monate später habe ich mit »Vegan Friendly« angefangen, denn damals gab es noch keine vegane Infrastruktur in Israel. Ich lebe in Jerusalem und habe irgendwie zwei Mal täglich Hummus und Falafel gegessen. Die Entscheidung, Veganer zu werden, war schnell gefallen, aber der Weg bis heute, der war lang. Aber es war die beste Entscheidung meines Lebens. Denn wenn ich mir mein Leben ohne diese beiden Dinge, also ohne veganen Lebensstil und ohne »Vegan Friendly«, vorstelle, das geht gar nicht.
Was hat sich für Sie geändert, seitdem Sie Veganer sind?
Also vom rein Körperlichen ist es für mich ganz persönlich das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe viel mehr Energie, bin ganz selten krank. Vorher war ich alle paar Monate erkältet. So regelmäßig, dass sich meine Familie schon lustig machte und mich veralberte, ob ich überhaupt ein funktionierendes Immunsystem hätte. Ich jogge und bin genauso fit. Ich fühle mich irgendwie leichter, bin weniger müde – besonders diese Nachmittagsmüdigkeit, die habe ich gar nicht mehr. Und noch etwas ist anders: Ich bin aufmerksamer für andere Themen geworden: Feminismus, Rassismus, alle Arten von Diskriminierung.
Mal überspitzt gefragt: Sind Veganer die besseren Menschen?
Na, das kommt darauf an: Wenn Sie mich das in Bezug auf den Umgang mit Tieren fragen, dann sage ich klar: »Ja.« Das heißt aber nicht, dass der ganze Mensch gleich an sich besser wird. Das, was passiert, ist doch Folgendes: Wenn man Mitgefühl Tieren gegenüber zeigt, dann wirkt sich das auch auf andere Bereiche im Leben aus. Ein Umweltaktivist ist, was den Umweltschutz angeht, besser als jemand, der nicht recycelt.
Israel gilt als »das« Land für Veganer. Was ist in den vergangenen zehn Jahren passiert?
Viel! Eine Veganerin hat sogar einmal »Big Brother« gewonnen. Viele Unternehmen haben gemerkt, dass im Vegansein auch jede Menge Potenzial steckt. Es gab zahlreiche Untersuchungen und Studien dazu. Vegan und Israel, das passt einfach. Die mediterrane Ernährung ist größtenteils pflanzenbasiert, es gibt viele religiöse Menschen, die Fleisch und Milch trennen, für manche ist das Vegansein dann einfach. Unser Nationalgericht Hummus und Falafel ist vegan.
Sie haben mit Ihrem Unternehmen, das sich für eine vegane Lebensweise einsetzt, ein Label geschaffen, das beispielsweise Restaurants für Veganer kenntlich macht.
Wenn wir einen Tipp bekommen, dann fragen wir die Restaurants an, ob sie unser Label zeigen möchten. Oder die Mitarbeiter der Restaurants kommen von sich aus auf uns zu. Mittlerweile arbeiten wir mit vielen großen Unternehmen zusammen. Nestlé, Unilever, Strauss, Domino’s Pizza, Landwer. Sie alle benutzen unser Label.
Überprüfen Sie diese Unternehmen auf deren Philosophie?
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen. Was das Product Labeling angeht, da wird vertraglich versichert, dass alle Zutaten vegan sind. Manchmal lassen wir es auch im Labor überprüfen, ob alles vegan ist. Bei den Restaurants, da schauen wir uns das Menü an und checken, ob es passende vegane Optionen gibt. Und wir haben letztendlich eine halbe Million Leute, die diese Produkte konsumieren und testen. Wenn es mit irgendetwas ein Problem geben sollte, dann bekommen wir immer ein Feedback. Das geht schnell. Wir versuchen, das Beste zu geben, aber wir können natürlich nicht jede Zutat in das Land zurückverfolgen, wo sie produziert wird.
Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie Ihr Unternehmen gerade in den USA gestartet haben. Ist das ein dankbarer Markt?
Er ist sehr groß, sehr aufnahmebereit. Viele Menschen wollen mehr über vegane Ernährung erfahren. Für uns ist das eine gute Gelegenheit.
Und was ist mit Europa?
Europäer haben schon ein anderes Bewusstsein, was Ernährung und Umwelt angeht. Mehr als die Amerikaner und auch mehr als Israelis. Natürlich gibt es auch in Europa spannende Märkte, aber wir können nicht überall gleichzeitig aktiv sein. In den kommenden Jahren fokussieren wir uns auf Israel, die USA und Großbritannien. Und wenn sich alles gut entwickelt, dann sehen wir, was das vierte Land werden wird. Vielleicht Spanien, Chile oder Argentinien.
Argentinien? Sie mögen offensichtlich Herausforderungen.
Ja, davon habe ich schon gehört. Aber ernsthaft: Wir schauen einmal, welches Land es sein wird.
Ihr Unternehmen sponsert in der Saison 2022/2023 auch den Basketball-Verein Hapoel Tel Aviv. Sport und vegan, das passt für viele nicht so ganz zusammen.
Und genau deswegen haben wir es gemacht. Man kann Athlet und vegan sein. Und für uns war das ein großer Schritt, für unser Anliegen, für unser Unternehmen. »Vegan Friendly« ist jetzt im Namen des Vereins, auf T-Shirts der Spieler, auf dem Screen zu sehen. Es gibt große Sticker auf dem Spielfeld, der Kiosk ist vegan, der VIP-Raum ist vegan.
Wie haben die Spieler auf die Initiative reagiert?
Ich denke, wenn man professioneller Spieler ist, hat man ein gutes Gespür dafür, was dem Körper und auch der Leistungsfähigkeit hilft. Sie sind auf jeden Fall sehr aufgeschlossen.
Das Wirtschaftsmagazin »ICE« hat Sie in seine Liste der »40 unter 40« aufgenommen. Was bedeutet Ihnen das?
Ich habe mich natürlich gefreut. Das war zwar nicht mein Ziel, aber es ist ein Erfolg für die vegane Bewegung. Ich habe als Student in Jerusalem angefangen, war nebenbei Sicherheitsmann, habe Nachtschichten geschoben, auf dem Boden geschlafen, und als wir mit »Vegan Friendly« angefangen haben, hatte ich kein Gehalt. Von daher ist es eine schöne Sache.
Vegan zu kochen oder zu backen, kann ziemlich ins Geld gehen. Sollte es günstiger sein?
Ich finde veganes Essen nicht unbedingt teurer als nicht veganes Essen. Trotzdem könnten einige Preise natürlich noch gesenkt werden. Das hat natürlich auch mit Angebot und Nachfrage zu tun. Wer wirklich vegan leben will, der kalkuliert vielleicht auch nicht, sondern ist einfach von der Philosophie überzeugt.
Mögen Sie veganen Fleischersatz?
Ja, ich mag vegane Burger, Spaghetti Bolognese, aber ich esse es, weil es gut schmeckt, und nicht, weil ich das Gefühl des Fleischessens vermisse. Das ist ein großer Unterschied.
Was ist Ihr Lieblingsessen?
Was ich fast jeden Tag esse, ist eine Bowl aus veganem Joghurt, Blaubeeren, gefrorener Banane, Erdnussbutter, und manchmal gebe ich noch Haferflocken dazu. Das ist wie ein Dessert für mich, es hat viel Protein, schmeckt super, ist günstig und einfach zuzubereiten. Es ist als Frühstück leicht und auch abends sehr bekömmlich.
Mit dem Unternehmer sprach Katrin Richter.