»Im August 2023 habe ich meinen ersten Roman veröffentlicht. Der Epilog, dieser triviale Epilog, spielt an Jom Kippur 2023. Dieser Epilog ist zum Prolog geworden. Er spielt in einer Welt, die es jetzt, wenige Wochen später, nicht mehr gibt. In der neuen Welt bieten fremde Leute auf Instagram an, zu mir nach Hause zu kommen und mir Gesellschaft zu leisten, und meine engen Freunde ghosten mich.«
Nach dem 7. Oktober 2023 meldete sich Dana Vowinckel, Autorin von Gewässer im Ziplock und Preisträgerin des Schreibwettbewerbs LʼChaim zu jüdischem Leben in Deutschland 2022, mit einem Text in der »Zeit« zu Wort. Jetzt ist die 28-Jährige für den Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, der an diesem Donnerstag vergeben wird.
Ihr Debütroman dreht sich um den Kantor Avi und seine Tochter Margarita, die zwischen Deutschland, Israel und den USA nach ihrer Identität sucht. Das Buch beginnt mit einem Kiddusch und endet mit dem Jom-Kippur-Gottesdienst.
»Ich fand es immer schon spannend (…), dass Kantoren so schillernde, aber ein bisschen enigmatische Figuren sind. Ich habe immer wieder auch über die Ausdauer nachgedacht, die körperliche Leistung, wenn man an den Hohen Feiertagen in der Synagoge steht, und da singt jemand, der an Jom Kippur wahrscheinlich sogar noch fastet, einen ganzen Tag lang«, sagte sie 2023 in einem Interview der »Jüdischen Allgemeinen«.
In ihrem Text in der »Zeit« vom 27. Oktober schrieb die Autorin, ihr Freundeskreis habe sich nach dem 7. Oktober halbiert. Und sie betonte: »Es geht mir hier nicht um Völkerrechtsbrüche im Gazastreifen. Ich verurteile diese Völkerrechtsbrüche aufs Schärfste. Sie dürften nicht passieren. Sie müssten nicht passieren. Trotz des Massakers müssten sie nicht passieren.«
Ihr gehe es vielmehr darum, »dass es in den zwei Wochen nach dem Massaker in Deutschland mehr als 200 antisemitische Vorfälle gab, und ich trotzdem alleine in meiner dreifach von innen verriegelten Wohnung hocke«.
Dana Vowinckel: »Gewässer im Ziplock«. Suhrkamp nova, Berlin 2023, 362 S., 23 €