Wie das Alter den Kindertagen gleicht. Vor einer Modelleisenbahn hockt der launige Greis, spielt Schaffner, malt sich weiße Narrenfarbe ins Antlitz, und wenn Gäste kommen, redet er gern anzüglich, wie er Frauen »fuppen« möchte.
Eigentlich recht gewöhnlich, ein Gruß aus Demenzia, wenn da nicht diese Gemälde im Zimmer von Picasso, Chagall und anderen Größen der klassischen Moderne herumstünden. Sie sind der Schatz, den der kindische Alte, Cornelius Gurlitt, seit Jahrzehnten hortet. Er nennt die Bilder leicht regressiv »meine Familie«.
drama Überhaupt ist dieses Drama von Oscar-Preisträger Ronald Harwood (prämiert für das Drehbuch zu Der Pianist) über den Fall des Cornelius Gurlitt ein echtes Familiendrama, ohne eigentliche Familie. Die Tragödie eines unerlösten Sohnemanns. Denn der eigentliche Akteur in diesem Fall ist Gurlitts Vater Hildebrand, eine schillernde Figur.
Wegen seiner jüdischen Großmutter und der Förderung neuer Kunst von den Nazis aus der Leitung des Hamburger Kunstvereins entlassen, arbeitete sich Hildebrand Gurlitt in den Jahren des NS-Regimes als Kunsthändler wieder empor, wurde Einkäufer für das geplante »Führermuseum« in Linz und Verkäufer der von den Nazis beschlagnahmten »Entarteten Kunst«.
Heimlich überführte er zahlreiche Werke in seinen Privatbesitz. 1956 starb Hildebrand bei einem Autounfall. Sein Sohn erbte und tauchte ab, unter die behördliche Wahrnehmungsschwelle, ohne Steuernummer oder Sozialversicherung.
Verwunderung »Die Geschichte meines Vaters ist eine tragische Geschichte von epischen Dimensionen«, sagt Cornelius Gurlitt im Stück einmal. Und tatsächlich verwundert es, dass Harwood für sein jetzt in Berlin uraufgeführtes Drama Entartete Kunst nicht genau nach einer solchen epischen, zutiefst widersprüchlichen Figur gegriffen hat. Stattdessen stellt er mit Cornelius Gurlitt einen Dagobert Duck der Kunsthalbwelt vor, der auf den geerbten Bildern wie auf totem Kapital hockt.
Ein mitreißender Burgtheaterschauspieler Udo Samel gibt diesen Gurlitt am Renaissance-Theater mit gedämpftem Verfolgungswahn, mitunter launig auffahrend, dann wieder genussvoll die Frivolitäten des Alters auskostend, während Boris Aljinovic (Ex-»Tatort«-Kommissar) und Anika Mauer ihm als Steuerfahnder auf die Pelle rücken.
Ihre Verhöre schmecken deutlich nach Zeitungspapier, Volten bleiben aus – und Regisseur Torsten Fischer will dem Dramatiker Harwood mit seiner braven, in moderatem Tempo abspulenden Regie auch keinen Deut an Schärfe hinzufügen.
Lesen Sie eine ausführliche Besprechung der Inszenierung in unserer Ausgabe am Freitag.