Frau Menasse, Sie sammeln seit Jahren akribisch Tiermeldungen. Etwa die von einem Mann, der ein Opossum mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben versuchte. Wie sind Sie zu diesem schrägen Hobby gekommen?
Durch Zufall. 2002 sorgte das große Hochwasser auch im Prager Zoo für Chaos. Der Zoo wurde komplett überschwemmt, da er am Ufer der Moldau liegt. Drei Robbenweibchen nutzten das Hochwasser und konnten Richtung Elbe schwimmen. Die Boulevardzeitungen machten daraus quasi einen Fortsetzungsroman: »Robben-Trio endlich in Freiheit!«, »Warum kehrte Robbenbaby freiwillig ins Becken zurück?« und, und, und. Seitdem bin ich von solchen Geschichten affiziert und sammle sie.
Die Meldungen scheinen auch viel über den Menschen zu verraten. Haben Sie diese Geschichten deshalb als Ausgangspunkt für Ihr Buch »Tiere für Fortgeschrittene« ausgewählt, das heute erscheint?
Ja. Mich interessiert an ihnen nur vordergründig das Komische. In den Meldungen steckt viel Menschliches, sie erzählen mir viel mehr über uns als über die Tiere. Zum Beispiel die erwähnte Geschichte mit dem Opossum: Warum zur Hölle versucht ein betrunkener 55-jähriger Mann irgendwo in Pennsylvania, eine tote Beutelratte wiederzubeleben? Da setzt dann bei mir die Fantasie ein. Der Auftrag an mich beim Schreiben war: Schildere die Stunden davor im Leben des Mannes so, dass dieser Schlusspunkt logisch ist.
Eine schwierige Aufgabe ...
Es steckt mehr hinter solchen Meldungen, als man meint. Wir interpretieren viel in Tiere hinein. Es ist eine Art Umweg, um über uns selbst nachzudenken. Und zwar ein hilfreicher Umweg. Unsere Geschichten über sie sind eine Art kathartische Folie. Es ist kein Zufall, dass bei der Charakterisierung von Politikern oft Metaphern benutzt werden.
Donald Trump wird oft als Alpha-Männchen beschrieben. An welches Tier erinnert Sie der US-Präsident?
Bei Trump muss ich direkt an das Imponiergehabe von Gorillas denken. Bei seinen Wählern an eine aufgebrachte kopflose Büffelherde, die alles niedertrampelt, was einmal als schön und wichtig galt. Aber da fangen dann schon wieder die Vermenschlichungen an. Man sollte unterscheiden zwischen der tierischen Wirklichkeit und unseren Projektionen.
Gibt es eine Meldung aus den vergangenen Jahren, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Bei einem Brand vor einem Aquarium kam es vor Jahren zu einer Verkettung unglücklicher Umstände. Die Klimaanlage saugte den Rauch von draußen an und leitete das Kohlenmonoxid direkt in das Haifischbecken. Die Besucher blieben verschont, die Haie aber verhielten sich merkwürdig. Die aberwitzige Pointe: Als die Haie zu torkeln begannen, zog der Zoodirektor einen Taucheranzug an und sprang ins Wasser. Es hat nicht geholfen: Am Ende waren vier von zehn Haien trotzdem tot.
Mit der österreichischen Schriftstellerin sprach Philipp Peyman Engel.