»Granach ist letzte Nacht an einer Blinddarmoperation gestorben.« Mit diesem Telegramm beginnt ein Film über einen der populärsten Schauspieler der Weimarer Republik: Alexander Granach. Gleich seine erste Filmrolle als Hausmeister Knock in Murnaus Nosferatu machte ihn bekannt. Doch der Machtantritt der Nazis beendete die hoffnungsvolle Karriere.
Die Regisseurin Angelika Wittlich hat in ihrer Dokumentation Alexander Granach – Da geht ein Mensch, die diese Woche in die Kinos kommt, das Leben dieses heute weitgehend vergessenen Künstlers nachgezeichnet. Neben Interviews mit Granachs vergangenes Jahr in Israel verstorbenem Sohn Gad stützt sich der Film auf schriftliche Quellen. Noch kurz vor seinem Tod in New York 1945 hatte Granach seine Autobiografie Da geht ein Mensch. Roman eines Lebens fertiggestellt, die posthum im Stockholmer Neuen Exil-Verlag erschien.
Daneben konnte die Filmemacherin auf die umfangreiche Korrespondenz zurückgreifen, die Granach mit seiner Schauspielkollegin und langjährigen Freundin Lotte Lieven geführt hat. Angelika Wittlich hatte gemeinsam mit Hilde Recher die mehr als 300 Briefe bereits 2008 im Ölbaum Verlag als Buch unter dem Titel Du mein liebes Stück Heimat – Briefe an Lotte Lieven aus dem Exil herausgegeben. Es sind Momentaufnahmen großer Verzweiflung angesichts des sich in Europa ausbreitenden Nazismus. Aber immer wieder taucht in den Zeilen auch die Hoffnung auf, dass der Nazispuk ein Ende haben und Granach doch noch einmal durch das Brandenburger Tor spazieren könnte.
berlin Ausschnitte aus der Biografie und den Briefen werden im Film eingestreut, gelesen von dem Schauspieler Samuel Finzi. Sie sorgen für die Lebendigkeit dieser biografischen Reise, die in dem galizischen Dorf Werbiwzi beginnt, das heute in der Ukraine liegt. Dort kam Jessaja Szajko Gronach 1890 in einer armen Bauernfamilie mit neun Kindern zur Welt. Mit zwölf Jahren riss er von zu Hause aus und wurde in damaligen Lemberg Bäckergeselle.
Im Jüdischen Theater der Stadt entdeckte er seine Liebe zur Schauspielerei. Mit 16 Jahren brannte Granach mit der Kasse der Bäckerei nach Berlin durch und tauchte ein in die kosmopolitische Welt des Scheunenviertels. Bald stand er in der deutschen Hauptstadt auf der Bühne, bereit, für seine Karriere die größten Opfer zu bringen. So ließ sich Granach die Beinknochen brechen, um seine O-Beine zu korrigieren. Im Film spricht ein Orthopäde über die Gefahren einer solchen »Schönheitsoperation«.
kiew 1933 gibt Granach am Berliner Staatstheater den Mephisto in Goethes Faust und muss erleben, wie Künstlerkollegen, etwa Veit Harlan, mit dem Naziwimpel am Auto vorfahren. Er geht zunächst ins polnische Exil. 1935 kommt eine Einladung ans JiddischenTheater in Kiew. Er übersiedelt in die Sowjetunion. Schon in der Weimarer Zeit hatte der parteilose Granach in linken Künstlerkreisen verkehrt und war in einem von Erwin Piscator geleiteten politisch engagierten Theater am Berliner Nollendorfplatz aufgetreten.
Doch seine anfänglichen Hoffnungen, in der Sowjetunion ein antifaschistisches deutsches Exiltheater aufbauen zu können, wurden schnell enttäuscht. Wie so viele Emigranten geriet auch er in die Mühlen der stalinistischen Verfolgung und wurde verhaftet. Auf Fürsprache seines Freundes Lion Feuchtwanger kam er frei, konnte die Sowjetunion verlassen und erreichte nach einem Zwischenstopp in der Schweiz, die ihm den Aufenthalt verweigerte, 1938 in die USA.
Auch dort brillierte Granach auf der Bühne. In der Rolle des Fischers Tomasino in dem Stück Eine Glocke für Adano schaffte er den Durchbruch. Eine wegen vieler Termine lange verzögerte Blinddarmoperation kostete ihn 1945 das Leben. Angelika Wittlichs Film ist nicht nur eine Reise durch ein bewegtes Schauspielerleben. Er führt uns auch in eine Welt, die von den Nazis und ihren Verbündeten vernichtet wurde. Fast die gesamte Verwandtschaft von Alexander Granach wurde Opfer der Schoa.