Die Frage muss erlaubt sein: Handelt es sich bei Mark Zuckerberg, dem immer noch sehr jungen Gründer des sozialen Netzwerks Facebook, um einen Zeitreisenden aus der Zukunft? Genauer gefragt: Ist Mark Zuckerberg in Wahrheit ein Cyborg, also ein Mischwesen aus Mensch und Roboter, das aus der Zukunft zu uns geschickt wurde, um zu garantieren, dass nach der finalen Entscheidungsschlacht die Maschinen gewinnen?
Wer den Film Terminator: Genisys gesehen hat, der heute in den deutschen Kinos anläuft, wird den Eindruck unabweisbar finden, dass es sich just so verhält. Neulich nämlich hat Mark Zuckerberg online Fragen von Facebook-Nutzern beantwortet –unter ihnen der Astrophysiker Stephen Hawking und Arnold Schwarzenegger, der in Terminator einen in die Jahre gekommenen Killerroboter spielt.
Facebook, so gab Zuckerberg in jenem Online-Gespräch unumwunden zu, benutze längst künstliche Intelligenz, um Menschen digital miteinander zu vernetzen. Wenn etwa jemand ein Foto von einem Freund auf seiner Facebook-Seite hochlädt, dann sorgt das Netzwerk automatisch dafür, dass jener Freund das Foto auch zu sehen bekommt; und wenn jemand sich für Hunde und Politik interessiert, vernetzt ihn Facebook dank eines schlauen Algorithmus mit anderen Hundenarren und Politikfreunden.
automatisch Man arbeite zudem daran, Systeme zu entwickeln, die Augen und Ohren ersetzen, sagte Zuckerberg – Systeme, die automatisch erkennen, was auf Bildern zu sehen ist, und Gesprochenes in Videos verstehen können. Auch werde es bald möglich sein, Gesprochenes ohne mühsame Tipperei in Text zu übersetzen und Tex- te automatisch von einer Sprache in die andere zu überführen.
Auf die Frage von Stephen Hawking, welche wissenschaftliche Frage er gern beantwortet sähe, antwortete Zuckerberg: Er wüsste gern, ob es ein grundlegendes mathematisches Gesetz für menschliche Beziehungen gibt – ein Gesetz, das steuere, wofür oder für wen wir uns interessieren. »Ich wette, das gibt es«, meint Zuckerberg. Und damit hat der Cyborg aus der Zukunft zugegeben, um was es ihm eigentlich geht.
In dem neuen Terminator-Film – Achtung, im Folgenden werden wesentliche Handlungselemente verraten! – wollen Maschinen die Macht ergreifen. Als Trojanisches Pferd dient ihnen dabei eine gewisse Website: Sobald sie online geht, bestimmt sie uneingeschränkt über alle Handys, Laptops und Großcomputer. Und über die Atomraketen in den Arsenalen. Sie wird große Teile der Menschheit in einem weltweiten thermonuklearen Krieg vernichten. Der eigentliche Agent des Bösen ist aber ein ehemaliger Freiheitskämpfer, der zum Cyborg umgebaut wurde. An einer Stelle des Films versucht er, den Helden und seine hübsche Freundin – die gerade mit Schießeisen auf ihn zielen – umzustimmen. »Es muss doch nicht so schlimm kommen«, sagt er. »Menschen und Maschinen können doch koexistieren.«
Derselben Taktik bedient sich jetzt Mark Zuckerberg, wenn er auf Arnold Schwarzeneggers Frage »Werden die Maschinen gewinnen?« antwortet: »Nein, die Maschinen gewinnen nicht« und noch einen Smiley hinterherschickt. Naive Gemüter lassen sich von diesem Trick vielleicht blenden, aber wer den neuen Terminator gesehen hat, der weiß Bescheid: Facebook ist das Trojanische Pferd, die Website, mit deren Hilfe die Maschinenherrschaft vorbereitet werden soll, und Mark Zuckerberg ist der Agent dieser neuen, glänzenden, unmenschlichen Zukunft. Denn in Wahrheit ist all das Gerede von der Koexistenz natürlich Augenpulver: »Ich habe kein Gewissen«, bekennt der Cyborg in einer Szene des Films. »Ich kenne keine Reue und keine Angst.« Und Gewehrkugeln helfen gegen dieses Monster natürlich auch nicht.
unsinn Aber jetzt mal im Ernst: Das Ganze ist doch Quatsch. Und wenn Mark Zuckerberg auch nur einen Funken jüdische Bildung im Leib hätte, dann wüsste auch er, dass es Unsinn ist. Es soll eine mathematische Formel geben, mit der sich das menschliche Verhalten vorausberechnen lässt? Really, Mark? No kidding? Man muss nicht mehr als ein paar Brocken Jiddisch können, dann weiß man, was man davon zu halten hat: Der Mensch tracht – un Got lacht. Wahrscheinlich hat Mark Zuckerberg noch nie in seinem gesamten Leben von der Haschgacha Pratit gehört, der göttlichen Vorsehung, die jedes noch so winzige und unscheinbare Detail umfasst.
Die heidnischen Philosophen glaubten an eine Gottheit, die hoch über den Niederungen des Menschlichen thront; Juden aber denken, dass Gott seine Nase in alles hineinsteckt, was passiert, weil ihm nichts zu klein und krumm und dämlich ist. Gäbe es eine Formel, mit der sich das Verhalten der Menschen berechnen ließe, hieße das, dass Menschen – genauer gesagt, ein Mensch, nämlich Mark Zuckerberg – gottgleich werden könnten. Der Traum von der Selbstvergottung des Menschen hat bisher aber noch immer zuverlässig in die Pleite geführt.
freier wille Dann ist da noch das Problem mit der Bechira Chofschit – der Willensfreiheit. Der große Maimonides glaubte, dass jeder Mensch sich für das Gute oder das Böse entscheiden kann. Ohne Bechira Chofschit könnten wir uns alle Diskussionen über moralische Verantwortung künftig schenken: Jeder dumme Taschendieb, der sich vor Gericht damit herausreden will, er habe nicht anders gekonnt, müsste auf der Stelle freigesprochen werden.
Auch hätte Abraham nicht lang und breit mit dem Schöpfer des Universums darüber streiten müssen, ob sich in der Stadt Sodom wohl zehn Gerechte finden würden: Sowohl die Gerechten wie die Ungerechten hätten sowieso nicht anders gekonnt, als ihre vorgeschriebenen Rollen zu erfüllen, da ohnehin alles determiniert ist.
Könnte man dank künstlicher Intelligenz das menschliche Verhalten vorausberechnen, wäre die ganze schöne Wahlfreiheit aber im Eimer. Und mit ihr auch die Idee, dass Aufklärung der Ausgang aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit des Menschen sei. Zum Glück ist Mark Zuckerberg selbst der beste Beweis dafür, dass es sich bei seinen Träumereien von der künstlichen Intelligenz und der Vorausberechenbarkeit des Verhaltens um Unsinn handelt. Schließlich hat der Mann es mit seinem jiddischen keppele zum Multimilliardär gebracht und per Facebook Millionen von fremden Leuten miteinander verkuppelt. Das soll ihm erst mal eine Maschine nachmachen!