Schlussredaktion bei einer deutschen Regionalzeitung. Ende dieser Woche.
Chefredakteur: »Kommen wir zur Wochenendbeilage. Unser Volontär hat seinen ersten Artikel geschrieben. Glückwunsch, Herr Kollege!« (Volontär strahlt.)
Chefredakteur: »Thema ist die kulturelle Vielfalt unserer Stadt. Der Leadsatz ist sehr gelungen: ›Auch unsere jüdischen Mitbürger feiern Advent. Bei ihnen heißt es Chanukka.‹«
Chef vom Dienst: »Da ist ein Schreibfehler drin! Es heißt Channuka. Mit zwei ›n‹ und einem ›k‹.«
Volontär (verunsichert): »Bei Wikipedia steht aber ›Chanukka‹, mit einem ›n‹ und zwei ›k‹.«
Chef vom Dienst: »Ich habe Ihnen doch schon mal gesagt: Wikipedia ist keine zuverlässige Quelle. Zufällig kenne ich mich hier aus. Ich habe mal bei einer Fortbildung eine jüdische Kollegin kennengelernt. Die schreibt ›Channuka‹ mit zwei ›n‹ und einem ›k‹.«
Chefredakteur zum Volontär: »Das mit dem Recherchieren üben wir noch. Gerade bei so empfindlichen Themen. Sonst beschwert sich wieder die Jüdische Gemeinde.«
Kulturredakteurin: »Der junge Kollege hat aber, glaube ich, recht. Ich hab das Wort mal bei einem Scrabble-Turnier gelegt. ›Chanukka‹ mit einem ›n‹ und zwei ›k‹. Wurde vom Schiedsrichter nicht beanstandet. Gab 87 Punkte.«
Lokalredakteur: »Aber wirklich mit ›Ch‹ vorne? Gestern kam eine Mail der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die laden ein zu einer ›Hanukka-Feier‹. Vorne groß ›H‹, nicht ›Ch‹. Moment mal. Weiter unten im Text steht dann ›Hanukkah‹ mit ›h‹ hinten.«
Chefredakteur: »Ruf mal einer bei der Jüdischen Gemeinde an. Die müssten es ja wissen.«
Volontär: »Aber ob da jemand rangeht? Es ist Sabbat.«
Chef vom Dienst: »Es heißt ›Schabbat‹. Mit ›Sch‹!«
Lokalredakteur: »Mit ›Sh‹!«
Chefredakteur: »Diese jüdischen Themen rauben mir den letzten Nerv!« Zum Volontär: »Jetzt rufen Sie einfach mal an!«
Volontär geht raus, kommt nach zwei Minuten wieder: »Ich habe bei der Gemeinde noch jemanden erreicht. Es heißt Chanukka. Mit ›Ch‹!«
Volontär stockt. »Aber sicher bin ich mir jetzt trotzdem nicht. Das war ein Russe. Die können kein ›H‹ aussprechen.«
Chefredakteur: »Und was machen wir jetzt?«
Schweigen.
Lokalredakteur: »Ich hab’s! In der Mail von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit steht im ersten Satz: ›Wir feiern gemeinsam das jüdische Lichterfest.‹ Nehmen wir das doch!«
Chef vom Dienst: »Sehr gute Idee!« Zum Volontär: »Wie man ›Lichterfest‹ richtig schreibt, werden Sie ja wohl wissen.«
Chefredakteur: »So machen wir das!« Schaut auf die Uhr. »20 Minuten hat uns dieser Multikultikram schon wieder gekostet. Manchmal verstehe ich, warum so viele Leute die AfD wählen. Liegt sonst noch etwas an? Nein? Gut, dann sind wir durch. Frohen Ersten Advent allerseits!«