Die Idee, einen Menschen im Reagenzglas zu erschaffen, erinnert an düstere Science-Fiction-Produktionen à la Black Mirror. Doch in gewisser Weise ist sie nun Realität geworden.
Zwei Forschungsteams – eines in Israel, das andere in Großbritannien – ist es unabhängig voneinander gelungen, künstliche Embryonen aus Stammzellen im Labor zu züchten – ganz ohne biologische Eltern und Gebärmutter. Dieser wissenschaftliche Durchbruch macht nun weltweit Schlagzeilen. Aber nicht nur positive: Kritiker befürchten bei diesem Fortschritt ethische Grenzüberschreitungen.
sprengkraft Biologe Jacob Hanna vom Weizmann-Institut für Wissenschaften in Rechovot, hat das Projekt geleitet. Und er ist sich der Sprengkraft seiner Arbeit bewusst. Doch das Hauptinteresse von Hanna und seinen Kollegen liegt nicht in der bloßen Entwicklung künstlicher Embryonen.
Sie sehen darin vielmehr ein potenzielles Werkzeug für die Stammzellforschung, die das Ziel verfolgt, neue Behandlungsansätze für bisher unheilbare Krankheiten zu entdecken, beispielsweise für die Regeneration lebenswichtiger Gewebe. Hanna spekuliert, dass die künstlichen Embryonen das passende Umfeld für das Wachstum solcher Gewebe bieten könnten.
Ob aus den »Embryonen« tatsächlich ein lebensfähiger Mensch entstehen kann, ist noch unklar.
Auf Anfrage erklärt Jacob Hanna, dass diese »Embryonen«, so wie sie in den Medien weltweit genannt werden, besser als Modelle verstanden werden sollten, denn identisch mit echten Embryonen sind sie nicht. Auch das Blastozystenstadium, das Entwicklungsstadium vor der Einnistung in die Gebärmutter, haben sie nicht durchlaufen. Dennoch: Die »Embryonen« weisen in ihrer Struktur alle Eigenschaften wie ein 14 Tage alter Embryo auf, der auf natürliche Weise entstand.
gebärmutter Ob daraus aber tatsächlich ein lebensfähiger Mensch entstehen kann, ist noch unklar. Hanna betont zudem, dass die Modelle nicht erfolgreich in die Gebärmutter von Säugetieren implantiert werden könnten. Offen bleibt auch, ob sie sich in einer künstlichen Umgebung vollends weiterentwickeln würden.
In einer anderen Studie aus dem vergangenen Jahr ist es Jacob Hanna jedenfalls schon gelungen, Mäusembryonen zu entwickeln, die Herz und Hirn bildeten. Auch das sorgte bereits für einen Aufschrei. Hanna und sein Team deuten in ihrem nun vorveröffentlichten Papier an, dass dies auch mit menschlichen Zellen möglich sein könnte.
Bei der Erzeugung dieser Embryo-ähnlichen »Modelle« spielen Stammzellen die entscheidende Rolle. Jeder Mensch hat sie im eigenen Körper. Ihr Potenzial liegt darin, sich zu einer Vielzahl von Zelltypen entwickeln zu können. Daher auch der Name. Sie sind der »Stamm«, also die Ausgangszelle für andere, spezialisierte Zellen. Hanna und sein Team haben – einfach erklärt – Stammzellen in eine Mischung aus verschiedenen Wachstumsfaktoren »eingetaucht«. Dieser Vorgang hat bestimmte Gene aktiviert, die die Entwicklung eines Embryos in Gang gesetzt haben.
grenzüberschreitungen Auf die Bedenken hinsichtlich möglicher ethischer Grenzüberschreitungen reagiert Hanna mit Gelassenheit. Er betont: »Es gibt keinen Grund zur Panik.« Es gebe bereits umfangreiche Leitlinien und ethische Debatten zum Umgang mit natürlichen Embryonen, so der Biologe. Er glaube nicht, dass völlig neue Richtlinien für synthetische Embryonenmodelle erfunden werden müssten.
Ethikausschüsse würden sich schon seit Jahren mit diesem Thema befassen. Und: »Die ethischen Genehmigungen für die in unserem Vorabdruck beschriebenen Experimente liegen vor«, sagt der Forscher. Für ihn sei die Frage, ab welchem Punkt ein synthetischer Embryo wie ein natürlicher behandelt werden sollte, viel wichtiger.