Im ersten Kapitel ihrer Publikation Trialog. Wie wir über Israel und Palästina sprechen erzählen Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann, wie sie den 7. Oktober und die unmittelbaren Tage danach erlebt haben. Das nächste Kapitel legt die Biografien der beiden offen, und zwar der Deutsch-Palästinenserin, deren Vorfahren teilweise aus Akka beziehungsweise Akko stammen und die als Kind mit ihrer Mutter aus dem Libanon nach Deutschland geflüchtet ist, und des deutschen Juden mit israelischen Eltern und polnischen Großeltern, die den Holocaust überlebten.
Als Leserin werde ich zurückgeworfen in diese Zeit vor einem Jahr, durchlebe sie wieder mit allen Fantasien und Ängsten, den heftigen Auseinandersetzungen, die überall stattfanden. Genau dies beabsichtigt das mutige Buch auch: Wir als Lesende, aber auch die Schüler und Lehrer in der direkten Begegnung mit den beiden Autoren im Rahmen von Workshops müssen uns eigenen Emotionen stellen, können uns nicht hinter vermeintlich objektivem Faktenwissen verschanzen.
Wir werden hineingezogen in den Trialog, den das Buch als Technik beschreibt und als Erfahrung ermöglicht. Ziele sind eine Empathie, die nicht selektiv ist, Emotionskompetenz, Multiperspektivität, Selbstreflexion und Ambiguitätstoleranz. Zuhören und gehört werden, sichtbar bleiben und den anderen als anderen sehen.
Hassoun und Hoffmann haben als Akteure des jüdisch-muslimischen Dialogs Gesprächserfahrungen.
Für ihre Arbeit an Schulen möchten die Autoren nicht die Illusion eines »Safe Space« bieten, der in dieser kontroversen Zeit kaum möglich sei. Vielmehr soll ein »Brave Space« geschaffen werden, der als mutiger Raum Platz für Ambivalenzen und Fehler lässt und der heutigen, absolut (ver)urteilenden Welt der sozialen Medien etwas entgegensetzt. Das Buch entstand mitten im Krieg und einer auch in Deutschland aufgeheizten Stimmung. Jetzt, da ich das neunte und letzte Kapitel lese – »Hoffnung trotz allem« –, konnten die Bewohner im Norden Israels, beschossen durch Raketen der Hisbollah aus dem Libanon, noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren, sind im Libanon infolge des Krieges Israels gegen die Hisbollah Hunderttausende Menschen auf der Flucht.
Wie in dieser Situation miteinander im Gespräch bleiben? Hassoun und Hoffmann haben als Akteure des jüdisch-muslimischen Dialogs Gesprächserfahrungen. Doch auch ihr Buch hätte in seiner beeindruckenden Offenheit und Aktualität ohne die Hilfe der Co-Autorin Maike Harel nicht entstehen können. Selbst wenn morgen in der Region Frieden herrschen würde, bliebe das Thema aktuell. Auch dann müssten wir Wege finden, miteinander über traumatische Erfahrungen und Entzweiungen zu sprechen. Wir können dankbar sein für ein Buch wie Trialog.
Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann. Mit Maike Harel: »Trialog. Wie wir über Israel und Palästina sprechen«. Quadriga, Köln 2024, 256 S., 22 €
Link zum Podcast der Autoren »Über Israel und Palästina sprechen« (Folge vom 27. September 24): https://open.spotify.com/show/6ELf1xivmWUwMvTSoZUhCv