Sprachgeschichte(n)

Bloß keinen Zoff!

Wie das hebräischstämmige Wort vom jiddischen Gaunervokabular Eingang in unseren Wortschatz fand

von Christoph Gutknecht  08.06.2015 18:54 Uhr

Ganz gleich, ob Streit, Knatsch oder Zores oder Zoff – der hat angefangen! Foto: Thinkstock

Wie das hebräischstämmige Wort vom jiddischen Gaunervokabular Eingang in unseren Wortschatz fand

von Christoph Gutknecht  08.06.2015 18:54 Uhr

In Goethes Faust sagt Mephisto zum einfältigen Schüler: »Mit Worten lässt sich trefflich streiten, / Mit Worten ein System bereiten.« Für den Disput, der mit diesem Zitat häufig charakterisiert wird, gibt es zahlreiche Synonyme. Als gehoben bildungssprachlich gelten »Hader«, »Querele« oder – primär in Österreich – »Zores«. Umgangssprachlich kennt man »Kabbelei«, »Knatsch« und »Knies«.

ausbreitung Doch es gibt mit »Zoff« ein weiteres in Deutschland und der Schweiz verwendetes Wort, das Ulrich Hoppes Glossar Von Anmache bis Zoff 1984 der Szenesprache zurechnete. Das Variantenwörterbuch des Deutschen charakterisiert seine Normebene noch 2004 anhand zweier Beispiele als »Grenzfall des Standards«: Die Spiegel-Jahreschronik 1997 schrieb über die verlassene Frau eines Verkehrsministers, sie habe »wenig Angst vor Zoff bewiesen«, die Illustrierte Blick sprach 2002 vom »Zoff Israels mit der Uno«.

In den vergangenen Jahren haben sich »Zoff« und das Verb »(sich) zoffen« inflationär in der Alltagssprache ausgebreitet – nicht nur regional, sondern auch in der Presse. Das Rheinische Mitmachwörterbuch zitiert: »Hat der alte Knötterpitt schon wieder Zoff mit seim Nachbarn?« Die Journalistin Susanne Spahn gab 2011 in dieser Zeitung ihrem Beitrag über Demonstrationen in Russland den Titel »Zoff mit Putin«, und die Volxbibel (2006–2012) sagt zur Streitschilderung im 1. Buch Mose: »Kain und Abel haben Zoff«.

»Zoff« leitet sich aus dem hebräischen Substantiv »Sof« her – mit der Bedeutung (»Ende, Schluss«), die auch im Jiddischen üblich ist, wobei dort aus dem Gaunervokabular oft die Nuance »Schluss der Untersuchung« mitschwingt. Auch »En Sof« oder »Eyn Sof« als Begriff der kabbalistischen Mystik, der im Sinne von »Es hat kein Ende« das Unendliche bezeichnet, entstammt dem Hebräischen, wo auch das Sprichwort »Ende gut, alles gut« als »Sof tov hakol tov« geläufig ist. Das jiddische Äquivalent »As der soff is gut, is als gut« kennt noch heute jeder Jiddischsprecher in den USA, ebenso wie Aufforderungen wie »Mach a soff« für »Mach schon Schluss!«

Westjiddisch Zum Wandel von »Ende« zu »Streit« erläutert Alfred Klepschs Westjiddisches Wörterbuch (2004), dass die hebräischen Lettern »Sin« und »Samech« im Jiddischen wortanlautend vereinzelt statt als Reibelaut »s« auch als Affrikate »ts« artikuliert werden: »Im Falle von Zoff und Sof entwickelten sich die Varianten auch semantisch auseinander. Während Sof die quellsprachliche Bedeutung ›Ende‹ behielt, wurde Zoff in der Umgangssprache der Christen ausschließlich in seiner metonymischen Bedeutung ›Streit‹ verwendet, in etwa wie ›Er hat mir ihr Zoff‹ (›Er streitet mit ihr‹).« Der Bedeutungswandel im Deutschen wird auf den jiddischen Ausdruck »mieser soff« (»böses Ende«) zurückgeführt.

Dafür, dass die Ursprungsbedeutung bewahrt wird, sorgt übrigens Jossi Reich alias Joe Fleisch von der Popband Jewrhythmics, der sich unter der Devise »Long live Yiddish!« deutscher Schlager aus den 80er-Jahren annimmt. Hinter der umgeformten Strophe »Als ding hot a soff – nor baym wursht senen zwey« verbirgt sich Stefan Remmlers Faschings-Song »Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei«. Wenn das mal keinen Zoff gibt.

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