Kommt er zurück oder nicht? Diese Frage beschäftigt wohl jeden, der einmal eine Krebserkrankung überstanden hat und erst einmal als geheilt gilt. So wie Zipora Katz aus Tel Aviv. Die pensionierte Apothekerin hatte im Alter von 53 Jahren von ihrem Arzt die Diagnose erhalten, vor der sich wohl jede Frau fürchtet: Ein Tumor in der Brust wurde entdeckt.
»Es folgte das übliche Prozedere«, erinnert sich die heute 64-Jährige. »Angefangen von der Operation, bei der das Geschwür entfernt wurde, bis hin zur Chemotherapie im Rahmen der Nachbehandlungen.« Bis dato hatte sie Glück, und der Krebs meldete sich nicht wieder zurück. »Doch irgendwie ist es wie ein Damoklesschwert, das über einem schwebt.«
Damit bringt Zipora Katz wohl die Gefühle der meisten ehemaligen Krebspatienten auf den Punkt. Denn je mehr von ihnen die Erkrankung dank der Fortschritte in der Medizin überleben, desto wichtiger ist es, zu verstehen, was die Tumore ruhen lässt und warum sie eventuell erneut auftreten können.
Gründe für die Rückkehr eines metastasierenden Karzinoms gibt es viele. Selbstverständlich ist auch die Art der Erkrankung ein Kriterium. Ein vollständig entfernter Dickdarmkrebs meldet sich fünf Jahre nach der Operation nur ganz selten zurück, bei Brust- oder Hautkrebs dagegen ist die Wahrscheinlichkeit selbst nach zehn oder 15 Jahren noch recht hoch. Zudem sind genetische Veränderungen oder der Lebensstil des ehemaligen Patienten ebenfalls wichtige Aspekte.
Hormone Und natürlich der Faktor Stress. Genau den haben Shamgar Ben-Eliyahu und sein Team von der Universität Tel Aviv nun näher unter die Lupe genommen. Ihre These: Je stressreicher ein Patient seine Krebsoperation empfindet, desto größer die Chance, dass die Tumore im Körper wieder Fuß fassen. Denn die Kombination von psychischen und physischen Belastungen verändern den Stoffwechsel und unterdrücken kurzfristig, aber dafür sehr heftig das Immunsystem.
»Eine Kombination verschiedener Wirkstoffe, die die Ausschüttung von Stresshormonen blockieren, kann da Abhilfe schaffen«, erläutert der Psychoneuroimmunologe Ben-Eliyahu das Prinzip. »Diese sollten über drei Wochen hinweg vor und nach der Operation eingenommen werden.« Der Medikamentencocktail besteht aus gängigen Betablockern, die gegen hohen Blutdruck zum Einsatz kommen, sowie sogenannten Antiphlogistika, eher bekannt als Entzündungshemmer. Der Vorteil: Beide Wirkstoffe sind erprobt, sicher und zudem sehr günstig. »Der Preis ist vergleichbar mit dem von Aspirin.«
Metastasen In Versuchsreihen mit Mäusen konnte die Lebenserwartung der Nagetiere nach einer Operation um das Zwei- bis Dreifache gesteigert werden. »Wir haben uns die molekularen Eigenschaften der entfernten Tumore der Mäuse genauer angeschaut und festgestellt, dass sie weniger metastasierten«, berichtet der Wissenschaftler. »Mit unserer etwas unkonventionellen Herangehensweise haben wir ein altes medizinisches Dogma infrage gestellt. Denn unserer Ansicht nach liegt einer der Schlüssel für die Beantwortung der Frage, warum bestimmte Krebsarten selbst nach vielen Jahren wieder zurückkehren, in der Phase unmittelbar vor und nach der Operation.« Wird in dieser kurzen Zeitspanne die Ausschüttung der Stresshormone heruntergefahren, verbessern sich langfristig die Heilungschancen. »Das richtige Timing ist alles.«
In Kooperation mit dem Sheba Medical Center, dem Kaplan Medical Center sowie dem Rabin Medical Center erhielten im Rahmen einer Studie anschließend 38 Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, fünf Tage lang präoperativ, direkt am Operationstag und fünf Tage postoperativ den Betablocker Propranolol sowie den Entzündungshemmer Etodolac. Eine Kontrollgruppe bekam dagegen nur Placebos. Durch regelmäßige Blutentnahmen und eine Transkriptom-Analyse des Tumorgewebes konnten sich die Wissenschaftler dann ein Bild von der Metastasierungsneigung machen. »Die Frauen, die die beiden Wirkstoffe erhalten hatten, wiesen weniger Merkmale auf, die eine Metastasierung begünstigen. Zudem konnten wir eine Reduktion bestimmter Entzündungsparameter sowie die Zunahme der natürlichen Killerzellen beobachten.« Eine weitere Untersuchungsreihe mit Darmkrebspatienten läuft bereits.
Betablocker Die Israelis sind nicht die Einzigen, die die These vertreten, dass der Faktor Stress eine Rolle bei der endgültigen Heilung von Krebs spielt. Auch die Onkologen des Anderson Cancer Center im texanischen Houston hatten mit Betablockern eine Testreihe an 260 Patientinnen mit Eierstockkrebs durchgeführt und kamen zu dem Ergebnis, dass die mit diesem Medikament behandelten Frauen nach der Diagnosestellung im Durchschnitt noch 48 Monate lebten – diejenigen, die keine Betablocker erhalten hatten, allerdings nur 42 Monate.
»Die Hemmung des sogenannten Sympathikus, also jenes Teils des vom menschlichen Willen unabhängigen Nervensystems, der bei Stress hochgefahren wird und den Organismus in einen erhöhten Erregungszustand versetzt, scheint eine positive therapeutische Wirkung zu haben«, so Christina Annunziata, die Leiterin der Studie.
Nur die Pharmaindustrie ist nicht so richtig von den Forschungen in dieser Richtung begeistert, weshalb sie diese auch nicht wirklich fördert, wie Shamgar Ben-Eliyahu zu berichten weiß. »Die Medikamente gibt es selbst als Generika bereits seit Jahren, weshalb sich damit so gut wie kein Geld verdienen lässt.«