Informatik

Blick in die Karten

Wissenschaftler führen nur selten ein glamouröses Leben. Statt in den Klatschspalten der Tageszeitung tauchen sie in aller Regel höchstens in Fachpublikationen auf – und sind damit zudem auch noch höchst zufrieden. Und so ist es auch wenig verwunderlich, dass über das Privatleben der meisten Forscher kaum etwas bekannt ist – und die meisten Menschen zudem auch nicht einmal ahnen, wer hinter den neuesten Entdeckungen steckt, die ihr Leben angenehmer, sicherer und komfortabler machen.

Die israelische Kryptologin Shafrira – meist kurz: Shafi – Goldwasser macht da keine Ausnahme. Über die 1958 in New York geborene und in Tel Aviv aufgewachsene Wissenschaftlerin und zweifache Mutter ist über ihren wissenschaftlichen Werdegang hinaus nicht viel bekannt. Dieser ist aber umso beeindruckender: Sie machte ihren Magister und ihren Doktor in Berkeley, ist Professorin am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA und am Weizmann-Institut in Rehovot, Israel. Für ihre herausragenden Forschungsergebnisse wurde sie mehrmals ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Gödel-Preis in Theoretischer Informatik.

Der nach dem 1906 im damaligen Österreich-Ungarn geborenen Mathematiker Kurt Friedrich Gödel benannte Preis wird seit 1993 verliehen. Shafi Goldwasser gehörte zu den Ersten, die ihn in Empfang nehmen durften. Gemeinsam mit vier anderen Wissenschaftlern wurde sie vor 17 Jahren für die gemeinsame Entwicklung von interaktiven Beweissystemen ausgezeichnet. Außerdem gewann sie 1998 den RSA Award in Mathematik für ihre Arbeit an »public key Kryptographie« – ein Verfahren, bei dem Sender und Empfänger verschlüsselt miteinander kommunizieren können, ohne dass ein gemeinsamer Code vorhanden ist.

beweis ohne wissen Nun wurde Goldwasser für eine Forschung aus dem Jahre 1982 mit der Benjamin-Franklin-Medaille in Informatik und Kognitiven Wissenschaften ausgezeichnet. In dieser Arbeit ersannen sie und ihre Mitstreiter ein Verfahren, das heute als der »Zero-Knowledge-Beweis« bekannt ist, ohne den das Bezahlen mit Kreditkarte im Internet nicht sicher möglich wäre. Der Beweis ermöglicht die Entgegennahme von Kreditkartendaten durch einen Payment-Provider, also einen sicheren Dienst, über den Onlineshops Bezahlungen abwickeln können, ohne dass der Onlineshop selbst die Daten der Kreditkarte erfährt. Der Anbieter erhält lediglich eine Bestätigung des Providers mit einer Wahrscheinlichkeitszahl, dass die eingegebenen Daten korrekt sind. Damit wird letztlich die Speicherung von Kreditkartendaten von Tausenden von Internetshops auf einige wenige Payment-Provider beschränkt, die natürlich viel bessere Sicherheitsvorkehrungen treffen können als etwa eine halbprofessionelle Webseite mit einer Einkaufsmöglichkeit oder einem Mitgliedsbeitrag.

der zeit voraus Shafrira Goldwasser hatte ihr Studium zu einer Zeit begonnen, als Computer nur von Fachleuten in Wissenschaft, Militär und Industrie verwendet wurden. Die heute 52-Jährige hatte in der Schule eigentlich nur ihr vorhandenes Talent in den Fächern Mathematik und Physik ausbauen wollen, an einem Computer hatte sie damals noch niemals gesessen.

In einem Kurs über Zahlentheorie wurde sie dann mit dem Gedankenexperiment konfrontiert, wie zwei Menschen telefonisch jeweils einen Münzwurf ausführen könnten, ohne dass einer der beiden den anderen betrügt. Denn natürlich könnte die Person, die mit dem Münzenwerfen an der Reihe ist, das Ergebnis wunschgemäß gestalten, wenn sie die Wahl der anderen vor dem Wurf kennen würde. Kennt sie die Wahl des anderen nicht, so kann allerdings dieser andere seine Wahl nach der Bekanntgabe des Wurfergebnisses wiederum seinen Wünschen anpassen. Deshalb benötigt man einen Beweis für die Wahl des anderen, ohne die Wahl selbst bekannt zu geben, eben einen Beweis ohne Wissen – den Zero-Knowledge-Beweis.

Die Lösung dieses Problems ließ Shafi Goldwasser nach eigenen Worten nicht mehr los. »Ich fing an, darüber wie besessen nachzudenken«, erklärte sie Jahre später. Natürlich nicht nur über den Münzwurf, sondern auch über komplexere Aufgabenstellungen wie Kartenspiele: Wie beweist man, dass man die Karte während der letzten Runde in der Hand hielt, ohne den Gegner die ganze Zeit wissen zu lassen, welche Karten man hat? Goldwassers Nachdenken war erfolgreich: Heraus kam eine zufallsbasierte Auswahl von Methoden der Kodierung – etwas, was heute die Grundlage jeglicher sicherer Internettransaktion und des Schutzes eigener Daten ist.

Goldwasser selbst gibt übrigens zu, dass sie damals die Tragweite ihrer Entdeckung noch nicht erkannte. »Es war zu dem Zeitpunkt noch keine Anwendung abzusehen, die daraus Nutzen ziehen konnte.« Was sich inzwischen gründlich geändert hat: Ohne ihre Forschungen wäre das bequeme Bezahlen bei Online-Aktionshäusern wie Ebay und virtuellen Shops wie Amazon eine hochriskante Angelegenheit.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025