Mit vier Wänden auf der grünen Wiese ist es nicht getan. Die Diskussion um ein Jüdisches Museum in Dresden wird intensiv geführt. Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) hat klare Vorstellungen: Es müsse generationsübergreifend gedacht und Raum für ein Begegnungszentrum geschaffen werden. Dabei sei der tradierte und viel beanspruchte Museumsbegriff neu zu denken. Museum – das könne und müsse vieles sein – nicht nur ein Ort zum Anschauen.
Seit etwa zehn Jahren ist ein Jüdisches Museum für Dresden im Gespräch. Es soll ein Ort für die Stadt und Sachsen werden – einer, der auch über die Geschichte der Juden in Osteuropa informiert. Der Dresdner Stadtrat hatte dem Vorhaben 2021 zugestimmt, allerdings ohne einen konkreten Standort zu benennen. Nun sollen bis zum Sommer Ideen zur Ausgestaltung des Projektes vorgelegt werden. Die Stadt hat dazu in den vergangenen Wochen vier Onlineforen veranstaltet.
LEERSTELLE Zwei Jahrzehnte nach der Weihe der Neuen Synagoge in der Elbestadt gelte es, die Vision eines Jüdischen Museums für die Region umzusetzen, sagt Klepsch. Es brauche einen »Ort der dauerhaften Repräsentanz jüdischen Lebens als Teil der Dresdner Stadtgeschichte, des gesellschaftlichen Diskurses und der Vermittlung«. Das könnten eine Synagoge und ein jüdisches Gemeindezentrum allein nicht leisten. Sie spricht von einer »Leerstelle«, die es zu füllen gelte.
Die Idee für ein Museum kam aus der jüdischen Gemeinde, ein Verein hat sie vorangetrieben.
Unterstützung bekommt Klepsch von der Museumsexpertin Leontine Meijer-van Mensch. Sie bringt den Begriff vom »Liquid Museum« ins Spiel, ein »Flüssiges Museum«, eines das rausgeht, hin zu den Menschen. Es stelle sich die Frage, ob das Museum ein Ort mit vier Mauern sein soll oder aber ein Netzwerk mit vielen Partnern, sagt Meijer-van Mensch, die seit 2019 Direktorin der Ethnografischen Sammlungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist. Dazu müsse gefragt werden: »Für wen wollen wir was machen?«
Die gebürtige Holländerin Meijer-van Mensch arbeitete unter anderem am Jüdischen Historischen Museum in Amsterdam und war stellvertretende Direktorin am Jüdischen Museum Berlin. Für Dresden könnte sie sich »eine ganz andere Art von Einrichtung« vorstellen - weg von der traditionellen und ernsthaften musealen Tätigkeit wie das Bewahren. Es könnte trotzdem Museum genannt werden, sagt sie.
ERFAHRUNGEN Um jüdisches Leben heute zu zeigen, sei es nicht wichtig, Leuchter oder Torarollen auszustellen, sagt auch Valentina Macenaro. Der Leiterin der Jüdischen Musik- und Theaterwoche in Dresden liegt die Vermittlung des immateriellen Erbes am Herzen. Museum könne ein Ort sein, wo solche Erfahrungen gemacht werden. Aber es sei nicht zeitgemäß, »angeblich jüdische Objekte auszustellen«.
Die Idee für ein Museum kam aus der jüdischen Gemeinde, ein Verein hat sie vorangetrieben. Mit dem Erwerb des Leipziger Bahnhofs in Dresden durch die Stadt keimte nun die Hoffnung, einen Standort gefunden zu haben. Doch manche meinen, der Bahnhof könne nur ein Gedenkort sein, andere wollen beides: Museum plus Gedenkort. Denn dort begannen in der NS-Zeit zahlreiche Deportationen jüdischer Frauen, Männer und Kinder. Einige befürchten, ein Museum in diesem Bahnhof konzentriere die jüdische Geschichte zu sehr auf den Holocaust.
Ein Museum sei Baustein in einer Bildungsinitiative, sagt der Gemeindevorsitzende Michael Hurshell.
Stadtplanerin Anja Heckmann kann sich als Standort zum Beispiel auch das Grundstück neben dem Dresdner Stadtmuseum vorstellen oder ein Areal nahe dem Japanischen Palais. Es gehe in der Debatte um mehr als nur um Dresden, sagt die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Sachsen, Nora Goldenbogen. Es gebe in Sachsen, in Mitteldeutschland und in den Grenzregionen Polens und Tschechiens sehr viele Objekte, Orte und Biografien, die über jüdisches Leben seit fast 1000 Jahren erzählen.
Ein Museum sei Baustein in einer Bildungsinitiative, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Dresden, Michael Hurshell. Auch ihm ist wichtig, in einem größeren Rahmen zu erzählen, auf Beziehungen zu Böhmen und Schlesien einzugehen. Hurshell ist sicher: »Bildung ist das einzige Mittel, um in der Bevölkerung etwas zu verändern und den Antisemitismus zu bekämpfen.«