Der Liedermacher, Dichter und DDR-Dissident Wolf Biermann hat sein Archiv und seine Tagebücher der Berliner Staatsbibliothek überlassen. Der Erwerb der mehr als 100 große Kisten umfassenden Sammlung mit Unterstützung der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien wurde am Dienstag in Berlin mit einem Festakt gewürdigt. Das Archiv des 84-Jährigen habe nun seinen Platz in einer der weltweit bedeutendsten Bibliotheken, und werde der Forschung zur Verfügung stehen, erklärte die Staatsbibliothek.
Das Archiv sei ein »einmaliges Zeugnis deutsch-deutscher Zeitgeschichte«, betonte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU): »Wolf Biermanns Vita und Werk machen sichtbar, was es für Künstler bedeutet, in einer Diktatur zu leben.« Sie zeigten, »welch hohe Güter die Freiheit der Kunst, die Freiheit der Meinung, die Freiheit des Wortes sind«.
Essays Biermann habe bewiesen, wie stark und folgenreich die Kraft des Wortes und des Liedes sein könne, betonte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: »Die massiven Proteste gegen seine Ausbürgerung im Jahr 1976 gelten als Anfang vom Ende der DDR.« Mit seinen politischen Essays habe er auch später wichtige Debatten angeregt. Er verkörpere wie kaum ein anderer die deutsch-deutsche und die wiedervereinigte Geschichte des Landes.
Wolf Biermann wurde 1936 in Hamburg geboren und siedelte 1953 in die DDR über. 1965 erhielt er dort ein Auftritts- und Publikationsverbot und wurde 1976 ausgebürgert. Dies löste eine große Protestbewegung in Ost und West aus. Der Dichter lebt heute in Hamburg.
Das Archiv des Liedermachers und Dichters Wolf Biermann ist nach Angaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) eine außergewöhnlich umfangreiche Materialsammlung aus mehr als 120 Jahren und umfasst unterschiedlichste Genres und Wissenschaftszweige von der Musikwissenschaft über Literatur- und Theaterwissenschaft, Soziologie und Politologie bis hin zur Geschichtswissenschaft. Ältester Bestand ist der Nachlass der Eltern Emma und Dagobert Biermann. Dazu gehören politische Zeugnisse der KPD-Zugehörigkeit, Korrespondenzen, die Briefe des Vaters aus politischer Haft, Gestapo-Akten, Dokumente der jüdischen, deportierten Familie, sowie eine umfangreiche Fotosammlung der Familie.
Studienzeit Hinzu kommen laut Stiftung private Korrespondenzen mit ausgeprägt politischen Inhalten sowie die Korrespondenzen, die Emma Biermann seit den 60er-Jahren stellvertretend für ihren Sohn im Westen geführt hat. Im Archiv befinden sich auch Dokumente aus Kindheit und Jugend, der Übersiedlung in die DDR, der Schul- und Studienzeit.
Das Archiv enthält unter anderem handschriftliche Manuskripte von Gedichten, Balladen und Liedern, Entwürfe und Ausarbeitungen von Märchen, Prosatexten, Essays und Vorlesungen, Gedichtfassungen, Aphorismen, philosophische Betrachtungen, Zeichnungen, Überset-zungen und die handschriftliche Notensammlung von Biermanns Kompositionen.
Auch eine Sammlung der über Jahrzehnte hinweg geführten Interviews des DDR-Dissidenten Bier-mann gehört dazu. Die Plakatsammlung zu Biermann-Konzerten, beginnend zu DDR-Zeiten vor dem Verbot 1965, reicht laut SPK bis in die heutige Zeit. Zur Sammlung gehören zudem Programme, Tourneepläne, Kalender, Adressbücher, ein umfangreiches Fotoarchiv, ein 1962 beginnendes Tonarchiv sowie ein Filmarchiv. Außergewöhnlich ist laut Stiftung, dass Biermann seit seinem 17. Lebensjahr ununterbrochen Tagebücher geführt und so eine Chronik seiner Zeit geschaffen hat.