Eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung, das sei gut fürs Herz, heißt es. Wissenschaftler von der University of Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio haben nun aber noch etwas entdeckt, was der Herzgesundheit von Frauen und Männern zugutekommt: das Tragen von Gebetsriemen, den Tefillin.
Überwiegend folgen Männer der biblischen Pflicht. Sie legen die Gebetsriemen als ein »Zeichen« und als »Erinnerung«, dass Gott die Kinder Israels aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, an. Im 5. Buch Mose 6,8 steht: »Und du sollst sie (diese Worte) binden zum Zeichen an deine Hand, und sie sollen sein zum Denkbande zwischen deinen Augen.« Betende bringen die Tefillin wochentags beim Morgengebet am Kopf und am schwächeren Arm an, auf Herzhöhe etwa, von wo aus sie den Lederriemen bis zum Handgelenk eng um den Arm wickeln.
studie Dass diese enge Umwicklung des Arms medizinisch schützt, wurde in bisherigen Studien bereits angenommen. Sie zeigten, dass das kontrollierte Einschränken des Blutflusses wie eine Art Training fürs Herz fungieren könnte, das dadurch vor Infarkten geschützt wird. Der Kardiologe Jack Rubinstein, der an der University of Cincinnati zur kardiovaskulären Gesundheit forscht, stellte in seiner jüngsten Studie aber noch Erstaunlicheres fest.
»Wir haben herausgefunden, dass allein das Gefühl von Druck auf den Arm und nicht der Verschluss des Blutflusses für den Schutz verantwortlich zu sein scheint.« Dafür stimulierte er bei seinen Probanden die gleichen Wege, wie sie bei kleinen Herzanfällen vorkommen. Wichtig an dieser Stelle: »Wir verursachten keinen Herzinfarkt und beschädigten auch kein Gewebe«, so Rubinstein.
Das Einschränken des Blutflusses wirkt wie eine Art Training fürs Herz.
Dass allein das Gefühl von Druck auf den Arm das Herz schützen könnte, sei möglicherweise mit Kanälen namens TRPV zu erklären, von denen in der Wissenschaft davon ausgegangen wird, dass sie für das Schmerzempfinden verantwortlich sein könnten. »Wenn man über diesen Kanal Schmerz empfindet, aktiviert das Gehirn alle möglichen guten Dinge, die das Herz schützen«, so Rubinstein.
vorteile Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee, die gesundheitlichen Vorteile durch das Tragen von Tefillin zu erforschen? Das führt auf die Arbeit des Wissenschaftlers Charles Murray zurück, berichtet Rubinstein. Im Jahr 1968 soll dieser in einer seiner Forschungen bei Tieren den Blutfluss von der Arterie zum Herzen blockiert haben, was winzige Herzinfarkte erzeugte.
Heraus kam wohl, dass jene Tiere, die vorher viele kleine Herzinfarkte erlitten, in späteren Versuchen einen bis zu 67 Prozent schwächeren Infarkt hatten, wenn ihr Blutfluss für eine längere Zeit blockiert wurde – so wie es bei einem größeren Herzinfarkt der Fall wäre. Murray sei also derjenige gewesen, der die Idee der Vorkonditionierung entwickelt habe. »Er hat das Herz konditioniert«, sagt Rubinstein.
Weitere Studien belegten schließlich, dass man, um das Herz zu konditionieren, gar nicht so weit gehen muss. Denn allein das Unterbinden des Blutflusses an anderen Stellen des Körpers zeigte schon eine schützende Wirkung. Ein großes Hindernis war dennoch, dass sich die Ergebnisse der Tierversuche nicht direkt auf den Menschen übertragen ließen.
vorkonditionierung »Vor sieben Jahren trug ich meine eigenen Tefillin, ich war gerade auf dem Flughafen, und mein Arm fing zu schmerzen an. Das war der Aha-Moment. Ich dachte: Was, wenn das Vorkonditionierung ist?«, berichtet der Forscher, der daraufhin seine erste Studie dazu durchführte. Dabei untersuchte er zwei Gruppen: Eine bestand aus gesunden, jungen, orthodoxen, jüdischen Männern aus Cincinnati, die jeden Tag Tefillin trugen.
Die anderen Teilnehmer waren ebenfalls jung, jüdisch und gesund. Der einzige Unterschied war, dass diese Männer für mindestens ein Jahr keine Gebetsriemen trugen. Beide Versuchsgruppen bekamen in der Studie schließlich Tefillin um den Arm gelegt.
»Wir fanden heraus, dass bei denjenigen, die täglich Tefillin trugen, alle Werte, von denen wir wissen, dass sie mit einer Vorbeugung in Verbindung stehen, in die richtige Richtung gingen. Werte der Entzündung, des Blutflusses und so weiter«, so Rubinstein. Aber selbst bei denjenigen, die die Gebetsriemen im Rahmen der Studie nur einmal trugen, habe sich ein ähnlich positiver Trend gezeigt.
kibbuzim In Vorbereitung auf diese Studie stieß Rubinstein zudem auf ältere Forschungen aus Israel, in denen orthodoxe Männer in Kibbuzim untersucht wurden. »Eine der Fragen, die sie ihnen stellten, lautete: Wie religiös sind Sie? Und es stellte sich heraus, dass die orthodoxesten Männer ein um zehn Prozent geringeres Risiko hatten, an einem Herzinfarkt zu sterben als alle anderen.«
In einer weiteren Untersuchung, ebenfalls in einem Kibbuz, wurden Männer und Frauen untersucht. Auch hier soll sich herausgestellt haben, dass jüdisch-orthodoxe Männer in Kibbuzim seltener an einer Herzerkrankung starben. Frauen allerdings nicht. »Also habe ich mich gefragt: Was unterscheidet sie?«
Zukünftig soll herausgefunden werden, welchen Einfluss spirituelle Aspekte haben könnten.
Nachdem Rubinstein seine erste Studie mit den beiden männlichen Versuchsgruppen in Cincinnati durchgeführt hatte, wollte er wissen, was die Untersuchung von Männern und Frauen zeigen würde, die nicht jüdisch sind. Dafür stellte er nun eine Gruppe von 30 gesunden Personen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren zusammen. Ihre Herzfrequenz wurde vor, während und nach dem Tragen der Tefillin gemessen.
reiz »Wir wollten sehen, ob wir irgendwelche Effekte messen können, die beim Anlegen der Tefillin auftreten. Und das konnten wir. Wir konnten Veränderungen in der sogenannten Herzfrequenzvariabilität feststellen, die im Grunde genommen anzeigt, ob das Herz auf einen bestimmten Reiz reagiert«, erklärt der Mediziner. Es zeigte sich also auch diesmal, dass Menschen durch das Tragen des Gebetsriemens oder eines vergleichbaren Geräts Schäden eines Herzinfarkts tatsächlich verringern könnten. Ganz gleich, ob sie jüdisch sind oder nicht.
In Zukunft möchte Rubinstein diese Forschung noch aus physiologischer Perspektive betrachten, um besser zu verstehen, was konkret mit dem Körper passiert. Und obwohl Rubinstein darauf hinweist, dass bei seiner Studie keine Tefillin verwendet wurden, die religiöse Texte enthielten, möchte er zukünftig auch herausfinden, welchen Einfluss spirituelle Aspekte haben könnten.
Rubinstein fragt sich: »Macht die Tatsache, dass Menschen beten, die damit verbundene Meditation, einen Unterschied?«. Für ihn als Forscher bleibt diese Frage noch offen. Für andere mag sie schon beantwortet sein.