Sein Erbe sei »in den bestmöglichen Händen«, sagte W. Michael Blumenthal, als er vergangene Woche seinen Nachfolger als Direktor des Jüdischen Museums Berlin (JMB) vorstellte. Nach 17 Jahren an der Spitze eines der meistbesuchten Museen Deutschlands verabschiedet sich der mittlerweile 88-jährige gebürtige Oranienburger, der nach einer erfolgreichen US-Karriere als Wirtschaftsprofessor, Topmanager und Finanzminister 1997 zum Gründungsdirektor des Hauses berufen worden war. An seine Stelle wird am 1. September Peter Schäfer treten, bis voriges Jahr Inhaber des Judaistik-Lehrstuhls an der amerikanischen Princeton University. Schäfer, der in dieser Woche 71 wird, war Blumenthals Wunschkandidat für den Posten, den er die kommenden fünf Jahre ausfüllen wird.
üBERRASCHUNG Die Personalie wurde von vielen zunächst mit großer Überraschung aufgenommen: Schäfer ist als vielfach ausgezeichneter Wissenschaftler mit internationaler Bilderbuchkarriere, nicht jedoch als Museumsmann bekannt. Der Judaist, der auch katholische Theologie und Philosophie studierte, hat sich vor allem durch seine Edition mystischer Texte einen Namen gemacht. 1974, mit 31 Jahren, wurde er Professor für Judaistik in Tübingen. Von 1983 bis 1998 leitete er das Judaistik-Institut der Freien Universität Berlin und wechselte dann nach Princeton, wo er 2003 erster Lehrstuhlinhaber der Ronald-O.-Perelman-Professur für Jüdische Studien sowie Professor für Religion und 2005 Direktor des Studienprogramms in Judaistik wurde.
Mit der Hechalot-Literatur hat Schäfer zentrale Texte der jüdischen Mystik erstmals wissenschaftlich ediert, übersetzt und durch eine Konkordanz erschlossen. Er verantwortet die Edition des Talmud Jeruschalmi und gibt dessen Übersetzung heraus, er machte durch die Edition magischer Literatur aus der Kairoer Geniza viele Texte erstmals zugänglich. Zudem hat er sich mit zentralen Themen der Theologie des Frühjudentums, wie etwa Verborgenheit und Offenbarung Gottes und Messianismus beschäftigt, ein Überblickswerk zur Geschichte der Juden in der Antike vorgelegt, sich mit den Beziehungen zwischen Judentum und Christentum und auch mit der Entstehung des Judenhasses in der Antike befasst.
dauerausstellung Menschen, die Schäfer kennen, schildern ihn als durchsetzungsfähig und energisch. Repräsentieren könne er durchaus, auch wenn er in Interviews vielleicht manchmal etwas steif wirke. Mit dem Nichtjuden Schäfer werde das Jüdische Museum Berlin »jüdischer«, schrieb dieser Tage die »Welt«. Ausgeschlossen ist das nicht: An judaistischer Sachkenntnis können sich wenige mit Schäfer messen, die für diesen Posten möglicherweise in Frage gekommen wären.
Ob dennoch ausgerechnet er, dessen akademisches Fachgebiet die Antike ist, an die Spitze eines Museums passe, dessen erklärter Fokus auf der jüdischen Gegenwart liegt, wurde Schäfer bei der Pressekonferenz anlässlich seiner Vorstellung gefragt. Überhaupt: Wie er als Mann der Wissenschaft ein Museum leiten wolle, das sich durch seine formal wie inhaltlich im besten Sinne populären Ausstellungen einen Namen gemacht hat? Keine Sorge, so der künftige Direktor: »Eine professorale, wissenschaftliche Anstalt ist das Letzte, was mir vorschwebt.« Das Erfolgsrezept des Hauses, wissenschaftlich seriös recherchierte Themen so zu präsentieren, dass sie ein breites Publikum ansprechen, werde auch unter seiner Ägide fortgeführt.
Das wird Schäfer bald unter Beweis stellen können. Eine Neukonzeption der Dauerausstellung des JMB steht auf der Tagesordnung. Eine Hauptaufgabe, so der neue Direktor, bei der er vorhat, eigene Akzente zu setzen. Vom Jüdischen Museum Berlin unter der neuen Leitung wird man sich also bald im Wortsinn ein Bild machen können.