Eigentlich bin ich ein stolzer Schweizer. Nichts geht mir über mein Land. Meinen deutschen Schwiegereltern, die immer nach Griechenland in Urlaub fahren, gehe ich seit Jahren auf den Nerv, weil ich ständig dränge »Kommt doch in die Schweiz. Hier ist alles viel schöner!«
nepp In Zukunft werde ich mich mit solchen Sprüchen zurückhalten. Diesen Sommer habe ich in meinem Vaterland die unangenehmsten Ferien meines Lebens verbracht. Ich war für zwei Wochen mit der Familie in Lenk. Lenk liegt im Berner Oberland und ist furchtbar stolz auf sein Fleckvieh und seine alten Bauernhäuser. So viel bäuerliches Selbstbewusstsein schließt devote Liebedienerei gegenüber Touristen aus. Der Fremde darf froh sein, dass man ihm überhaupt gestattet, an der Schönheit der Landschaft teilzuhaben. Dafür hat er aber auch ordentlich zu zahlen. In einem Restaurant namens »Pony« beispielsweise bestellten wir eine große Pizza, einen Salatteller, ein Bier und für die Kinder Limo. Die große Pizza hatte in etwa den Durchmesser meiner Kippa, beim Salat zählte ich sechs Blätter plus eine matschige Vierteltomate, das Bier war warm und die Limo dünn. Dafür gab es kostenfreie Pädagogik: Dreimal kam die Kellnerin angeschlurft und ranzte die Kinder an, sie sollten gefälligst leiser sein. Viel Kreativität wurde auch in die Rechnung investiert: Sie führte neben unseren Bestellungen dreimal den Posten »Verschiedenes« an. Für den ganzen Kack zusammen mussten wir über 50 Franken bezahlen.
klo-gebühren Apropos Kack: Nicht nur im »Pony«, sondern in praktisch jedem Gasthaus der Gegend hängt am Klo ein Schild: »Nichtkunden bezahlen bitte einen Franken für die WC-Benutzung!« Meine schwache Blase ist mich teuer zu stehen gekommen.
Nein, die Dienstleistung haben die Leute von Lenk nicht erfunden. Das bestätigte mir auch ein Besuch bei Petra, der örtlichen Coiffeuse. Ich hatte den Rasierapparat zu Hause vergessen und wollte nach vier Tagen meiner Frau ersparen, beim Küssen ständig von Barthaaren gepiekst zu werden. Männer zu rasieren, war aber definitiv nicht Petras Berufung. »Nein, das mache ich nicht!« Warum nicht, fragte ich? »Mir fehlt das nötige Werkzeug. Da müssen Sie schon ins Nachbardorf gehen, da gibt es einen Herrenfriseur.« Zum Glück hatte meine Frau ihren Lady-shave mit, sodass ich meine Stoppeln notdürftig selbst entfernen konnte.
Seit diesem Urlaub ist mein eidgenössischer Patriotismus erschüttert. Ich denke schon ernsthaft darüber nach, die nächsten Sommerferien in Israel zu verbringen. Na ja, vielleicht muss es doch kein so radikaler Wechsel sein. Der Schwarzwald, höre ich, soll auch sehr schön sein. Höllental, ich komme!