Diese Sommerferien habe ich mit Frau und Kindern in einer Urlaubsanlage für Familien verbracht. Sechs Häuser standen dort kreisförmig um ein Gemeinschaftszentrum. Außerdem gab es einen großen Spielplatz, einen umzäunten Streichelzoo mit Ziegen, ein Trampolin und eine Kletterburg. Für Kinder ein Paradies. Das Angebot für Erwachsene war leider weniger reichhaltig. Für sie gab es eigentlich nichts. Vor allem an Schabbat machte sich das bemerkbar.
Das Einzige, das ich am Ruhetag machen konnte, war, im sauberen Schabbeshemd herumzulaufen und den Kindern beim Spielen oder Ziegenstreicheln zuzuschauen. Zwischendurch guckte ich immer wieder auf die Uhr. Schon Abend, aber immer noch kein Schabbatausgang. Blöder Sommer mit seinen späten Sonnenuntergängen: noch drei Stunden!
vorhang auf Weil mir sonst nichts zu tun einfiel, ging ich ins Gemeinschaftshaus und blätterte lustlos in den ausliegenden Lokalzeitungen: Ein Traktor war eine Böschung hinuntergestürzt; ein Ehepaar feierte goldene Hochzeit; ein Bauer hatte eine ein Meter große Runkelrübe geerntet.
Dann meldete sich meine Blase, und ich begab mich zur Toilette. Als ordentlicher Mensch wusch ich mir hinterher die Hände und schaute dabei aus dem Fenster. Wow! Im Haus gegenüber zog sich eine gut aussehende Frau gerade um. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, ich konnte ungehindert zugucken.
Ich weiß nicht, wie lange ich auf der Toilette blieb; vielleicht zwei Stunden. Ich dankte Gott für die Kurzweil und gelobte, mir nach den Ferien eine neue Brille zu kaufen. So sinnierte ich vor mich hin, bis ich plötzlich bemerkte, dass die Frau gar nicht mehr im Zimmer war. Sie hatte sich in der Zwischenzeit angezogen, stand auf dem Balkon und fotografierte mich.
Mist! Schnell duckte ich mich, doch die Frau knipste weiter. Ich warf mich auf den Boden und robbte zur Toilettentür. Mein schönes Schabbeshemd! Und das war noch das Geringste der Probleme. Was, wenn die Frau das Foto von mir als Spanner in der Ferienanlage aufhängen würde? Welche Schande. Wie würde meine Frau reagieren – und wie erst die Kinder?
ausrede Doch dann fiel mir Jakob ein (der aus der Bibel). Als sein Bruder Esau ihm auflauerte, entschloss Jakob sich zur Gegenoffensive. So machte ich es auch. Sofort nach Schabbesausgang hängte ich einen Zettel im Gemeinschaftszentrum auf: Die Sicherheit der Ferienanlage sei gefährdet, schrieb ich dort.
Bewohner zögen ihre Vorhänge nicht zu, was geradezu eine Einladung an Einbrecher sei. Ich selbst hätte mich gestern davon bei einem Sicherheitscheck überzeugt.
Das Echo war immens. Viele Mitbewohner kamen und dankten mir für mein Engagement. Nur die schöne Frau, leider, hat sich nicht gemeldet.