Wir haben seit Kurzem eine neue Wochenzeitschrift abonniert. Sie heißt »Mishpacha«, zu deutsch »Familie«, und ist eigentlich für ein ultraorthodoxes Publikum geschrieben. Trotzdem lese ich das Blatt sehr gerne. Vor allem eine Rubrik hat es mir angetan. Die Autorin ist Rebbezin und verfasst kluge Ratschläge für die fromme Frau von heute. Neulich schrieb sie über die Problematik von Lohnunterschieden zwischen Mann und Frau.
Dabei ergriff sie aber nicht die Position der Feministinnen, die gleichen Lohn für Mann und Frau verlangen. Die Rebbezin machte sich vielmehr Sorgen, wie das Lohngefälle auf die Partnerbeziehung wirkt. Nämlich dann, wenn die Frau mehr verdient als der Mann.
Wie bei mir und meiner besseren Hälfte. In dem Artikel stand, dass in solchen Fällen die Frau ihrem Mann trotz seines niedrigeren Einkommens das Gefühl geben muss, er sei der Chef in der Familie. Größere Investitionen, die die Frau vielleicht aus ihrer Portokasse finanzieren könnte, müsse sie gleichwohl mit ihrem Gatten besprechen. Ich fand das sehr intelligent von der Rebbezin.
rabatt In einer anderen Ausgabe der Zeitschrift hatte die Autorin wieder etwas Kluges zu sagen. Eine richtige jüdische Ehefrau, schrieb sie, müsse die Komplimente ihres Mannes ernst nehmen. Wenn er sagt: »Du siehst toll aus in diesem schwarzen Kleid«, dürfe sie nicht antworten »Das ist blau, du Trottel!« Nein, sie solle erröten und kichern. Richtig, Frau Rebbezin!
Kurze Zeit drauf war ich in einem Billigkaufhaus. Auf dem Wühltisch lag ein Kleid, farblich irgendwo zwischen schwarz und blau. Es war zweimal reduziert. Erstens, weil es aus einer Vorvorjahreskollektion stammte (50 Prozent Nachlass), zweitens hatte es einen kleinen Schnittfehler (nochmals 20 Prozent Rabatt).
Ich fand das Kleid sehr schön. Meiner Frau würde es bestimmt gefallen. Ich ließ es einpacken und eilte nach Hause, voll freudiger Erwartung darauf, wie meine Frau das schöne Kleid anziehen, dann erröten und kichern würde. Ich würde ihr dann zuflüstern: »Du siehst wunderschön aus in diesem blauen oder schwarzen Kleid!«
müll Zu Hause riss meine Frau auch sofort neugierig die Verpackung auf. Aber das schöne, zweimal heruntergesetzte Kleid sagte ihr nicht zu. Sie wollte es nicht einmal anprobieren. Vergeblich zitierte ich die Rebbezin, die von richtigen jüdischen Frauen verlangt, dass sie kichern und erröten sollen! Stattdessen warf mir meine Gattin Geschmacksverirrung und pathologischen Geiz vor.
Ein Wort gab das andere, am Ende landete das Kleid im Abfalleimer. Als ich den später am Abend ausleerte, sah ich, dass im Kleid noch eine kleine Nadel steckte. Sie stammt wahrscheinlich vom Schneider mit dem Schnittfehler. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn meine Frau das Teil tatsächlich anprobiert und sich dabei gepiekst hätte! Ich wäre gleich mit dem Kleid im Müll gelandet. Bei dem Gedanken errötete ich und musste kichern. Ich werde mal die Rebbezin fragen, was sie in solchen Fällen empfiehlt.