Finale

Benis Welt

Ich bin im Hauptberuf Lehrer. Und keiner von der antiautoritären Sorte. Wenn ich das Klassenzimmer betrete, stehen die Schüler auf und warten auf mein Zeichen, bis sie sich wieder hinsetzen dürfen. Gähnen, Rülpsen oder Furzen dulde ich nicht im Unterricht. Schüler, die nicht aufpassen, kriegen von mir eine Verwarnung oder gleich eine Strafarbeit verpasst. Besonderen Wert lege ich auf Schönschrift, bei uns in der Schweiz »Schnürlischrift« genannt. Ist ein Aufsatz schlampig geschrieben, kann es passieren, dass ich zum Hulk werde und das Schulheft zerreiße.

störenfried Unter den rund zweihundert Schülern, die bisher durch meine pädagogischen Hände gegangen sind, gab es noch nie einen, der sich gegen mich zur Wehr gesetzt hätte. Außer Schiele Lewin. Oh Gott, wenn ich an diesen Nudnik zurückdenke! Vor etwa acht Jahren saß er in meiner Klasse. Schiele weigerte sich nicht nur standhaft, die Schnürlischrift anzuwenden. Auch in Mathematik wollte er nicht so subtrahieren, wie ich es an der Wandtafel vorgemacht hatte. Er schwätzte im Unterricht ständig dazwischen. Einmal habe ich ihn sogar dabei erwischt, wie er unter der Bank einen Damenbademodenkatalog studierte.

Gegen Schiele war kein Kraut gewachsen. Ich brüllte ihn an, versuchte mit den Eltern zu reden, drohte mit Schulausschluss, doch nichts fruchtete. Nach drei Monaten war ich am Ende mit meinem Latein. Um meine Nerven und meine Stimme zu schonen, gab ich schließlich auf und ließ ihn sein Ding machen.

Jetzt, acht Jahre später, habe ich Schiele wiedergetroffen. Das war in der Synagoge. Er lerne inzwischen, sagte er, in einer Jeschiwa. Ich fragte ihn, ob er denn dort erfolgreicher sei als in meinem Unterricht. Schiele grinste: »Wissen Sie, Herr Frenkel, hauptsächlich mache ich Daytrading!« Ich guckte ihn dumm an. »Ich handle mit Silber.« Ich dachte an seine schlechten Mathenoten und fragte: »Weiß dein Vater, was du mit deinem Taschengeld anstellst?« Schiele grinste noch eine Nummer frecher: »Taschengeld? Ich bewege fünfstellige Eurosummen!«

karriere Mir fielen sein Borsalino-Hut und der teure Anzug auf. Mein ehemaliger Schüler schien meinen Blick zu lesen und schüttelte seine rechte Hand: Eine sehr teure Uhr kam zum Vorschein. »Und Sie, Herr Frenkel? Unterrichten Sie immer noch Schnürlischrift?« Mir fiel nichts Gescheiteres ein, als mit »Ja« zu antworten.

Niederlagen wie diese stecke ich nicht gut weg. Seither sinne ich auf Genugtuung. Ich habe angefangen, im Wirtschaftsteil der Zeitung die Silberkurse zu studieren. Ein Experte meint, die Preise für das Edelmetall würden bald dramatisch in den Keller gehen. Ich freue mich schon darauf. Dann wird Schiele Lewin reumütig zu mir kommen, um endlich Schnürlischrift zu lernen. Es sei denn, der kleine Ganeff hat auf fallende Kurse gesetzt.

Glosse

Der Rest der Welt

Minimalistisch oder altersgerecht: in Worten fünfundvierzig

von Katrin Richter  23.02.2025

Aufgegabelt

Gulasch mit Paprika und Kartoffeln

Rezepte und Leckeres

von Ruth Raber  23.02.2025

Berlinale-Preisverleihung

Ohne Israelhass geht es nicht

Der gute Wille war da bei der neuen Festivalleitung, doch auch bei der Verleihung der Bären am Samstagabend kam es zu anti-israelischen Aussetzern

von Sophie Albers Ben Chamo  22.02.2025

Berlin

Berlinale gedenkt Opfers des Angriffs am Holocaust-Mahnmal

Am Vorabend wurde ein spanischer Tourist von einem syrischen Flüchtling, der Juden töten wollte, mit einem Messer angegriffen

 22.02.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025