In den letzten Tagen habe ich viel an Karl-Theodor zu Guttenberg gedacht. Ebenso an meinen Großvater seligen Angedenkens. Der hat sich stets als »Professor Frenkel« den besten Tisch im Restaurant reservieren lassen. Eine Universität hatte er von innen allerdings nie gesehen.
Ein bisschen Guttenberg steckt eben in uns allen. Auch in mir. Wenn ich in einem Geschäft Probleme mit Garantien und Ähnlichem habe, erkläre ich immer, dass ich Jura studiert hätte. Das wirkt Wunder. Als eine Verkäuferin sich etwa neulich weigerte, mir den Kaufpreis für einen nicht funktionierenden Heizlüfter zurückzuerstatten, habe ich nur in aller Ruhe gesagt: »Das verstößt gegen Paragraf 156!« Schon war die Sache erledigt.
falscher rabbi Auch in religiösen Belangen stapele ich gelegentlich ein bisschen hoch. Nächste Woche zum Beispiel werde ich wieder zu einer kleinen jüdischen Gemeinde fahren, um dort die Megilla Esther vorzulesen. Das mache ich seit Jahren. Die Mitglieder der Gemeinde empfangen mich jedesmal als Rabbiner. Ich widerspreche ihnen nicht. Dabei kann ich, ehrlich gesagt, außer Megilla-Lesen sehr wenig. Den Talmud habe ich nicht studiert, den Schulchan Aruch verstehe ich nicht, und Wochenabschnitte zu kommentieren ist auch nicht meine starke Seite. Aber mich aufführen wie ein kleiner Rebbe – das kann ich. Ich denke, sogar gut.
Nach der Megilla sitze ich immer im Gemeindesaal und lasse mich dreimal hochleben. Die kleine und klamme Gemeinde hat extra für mich koscheres Essen organisiert. Neben den guten treifen Leckereien steht ein kleiner runder Tisch mit dem Koscher-Fraß. Die Leute erwarten natürlich, dass ich als Rabbiner dort zulange. Also spiele ich weiter den Toragelehrten und löse Zementkuchen in Traubensaft auf. Zur Entspannung trinke ich hinterher süßen Wein. Eine Stunde nach dem Megilla-Lesen bin ich leicht angeheitert (1,2 Promille) und schaue mir die weiblichen Mitglieder der Gemeinde an. Natürlich nur verstohlen. Meine eigene Frau ist zwar nicht mitgekommen, weil sie daheim die Kinder hütet. Aber ich muss mich trotzdem zurückhalten. Schließlich bin ich Rabbiner. Gelegentlich kommen die Damen kurz an meinen Tisch und sagen Masel Tov. Die Hände reichen sie mir nicht, denn sie wissen: Ein Rabbi gibt keiner Frau die Hand.
Viel Spaß hat man als Rabbiner nicht. Sicher, ich genieße die bewundernden Blicke. Mehr gibt’s aber nicht. Ich glaube, dieses Jahr mache ich nicht mehr den Guttenberg. Ich bin kein Rabbi – lasst mich Spaß haben!