Immer mehr Menschen haben einen Zweitjob. Auch an mir geht dieser Trend nicht vorbei. Meine Tätigkeit als Lehrer in Teilzeit füllt mich nicht aus. Deshalb hatte ich mich auf eine 20-Wochenstunden-Stelle als Redakteur beworben. Der Verlag lud mich zu einem Vorstellungsgespräch ein. Die Nacht davor war ich ein bisschen nervös. Ich konnte nicht richtig einschlafen, weil ich die ganze Zeit überlegte, wie ich klug auf Fragen wie »Wo sehen Sie sich in zwanzig Jahren?« antworten könnte.
nervös Die Nervosität war wahrscheinlich auch schuld daran, dass ich am nächsten Tag eine Stunde zu früh zu dem Termin erschien. Was mich dann noch nervöser machte. Und wenn ich nervös bin, popele ich in der Nase. Ein Tick, ich kann ihn leider nicht abstellen. Also saß ich eine Stunde lang im Empfangsraum des Verlags, den Finger ständig in der Nase.
Dabei muss ich es wohl übertrieben haben. Als endlich das Bewerbungsgespräch begann, bekam ich nämlich starkes Nasenbluten. Der Chefredakteur und seine Assistentin schauten mich erschrocken an, als das Blut über meinen Bart floss.
blut Bei Nasenbluten, sagt meine Frau, soll man einen feuchten Lappen in den Nacken legen. Den hatte ich leider nicht parat. Also riss ich meinen Nacken nach hinten und schaute zur Decke. Ich wollte schließlich nicht den schönen hellen Teppich im Besprechungsraum bekleckern. Das würde keinen guten Eindruck machen. Immerhin war dies ein wichtiges Gespräch, bei dem die Weichen für mein weiteres Berufsleben gestellt wurden. Deshalb reagierte ich auch sofort, als der Chefredakteur fragte, ob wir das Gespräch nicht besser verschieben sollten: Nein, nein, das sei nicht nötig, ich hätte häufig Nasenbluten, das sei überhaupt nicht schlimm. Wie häufig, wollte die Assis-tentin wissen. Ein, zweimal die Woche, war meine Antwort. Obwohl ich meine Gesprächspartner nicht richtig sehen konnte, merkte ich, dass die beiden sich daraufhin ein Zeichen gaben. Das Gespräch verlief danach ziemlich schnell. Man würde sich bei mir melden, sagte die Assistentin noch.
Auf dem Heimweg dachte ich an Gott. War das Nasenbluten vielleicht ein Zeichen gewesen? Möglicherweise will man im Himmel nicht, dass ich Redakteur werde. Wahrscheinlich ist es auch ein Zeichen, dass der Verlag nun schon auf meine dritte E-Mail nicht reagiert. Soll ich anrufen?
Der Autor ist Lehrer und Publizist in der Schweiz.