Ein alter Mann in Badehose macht einen Kopfstand am Strand. Ein jüngerer Mann, sein Leibwächter, steht neben ihm und blickt misstrauisch in die Kamera. Das Bild druckte das amerikanische Nachrichtenmagazin Time in seinem Millenniumsheft über die wichtigsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Der Alte ist Israels Staatsgründer David Ben Gurion, das Foto entstand 1957, als er Premierminister war. Paul Goldman hieß der Fotograf.
Goldman, der 1900 in Budapest geboren wurde und in Israel 1943 zu fotografieren begann, dokumentierte vor allem offizielle Ereignisse: die Ankunft eines Schiffes mit jüdischen Flüchtlingen, die Gründung eines neuen Kibbuz, die Ausrufung des Staates Israel, den Eichmann-Prozess, offizielle Staatsgäste. Aber auch Ben Gurion ganz privat, am Strand oder zu Hause in Socken. Als einer der wenigen jüdischen Fotografen hielt er 1948 die Flucht der Palästinenser in Bildern fest.
pioniere Goldman starb 1986. Viele seiner Arbeiten galten als verschollen, bis sein Kollege David Rubinger sie auf dem Dachboden des Hauses wiederfand, in dem Goldmans Tochter lebte. Rubinger hatte sie wegen ihres ungewöhnlichen Namens ausfindig machen können. Sie wurde in der Nacht des 29. November 1947 geboren, in der die UN-Vollversammlung die Gründung Israels beschloss. Als Goldman dem Jischuw-Führer von der Geburt erzählte (er war bei ihm in jener Nacht, nicht bei seiner Frau), meinte Ben Gurion, das Mädchen müsse »Medina« heißen, zu deutsch »Staat«.
Rubinger, 1924 in Wien zur Welt gekommen, ist inzwischen 84 und fotografiert immer noch. Er und Goldman waren die Pioniere der israelischen Pressefotografie. Sie begleiteten mit ihren Kameras die Geschichte des Landes noch vor der Staatsgründung 1948 und schufen Bilder, die heute Teil der kollektiven Erinnerung sind. Das Gasteig in München zeigt sie jetzt bis zum 10. Mai in einer Ausstellung, die von der Israelitischen Kultusgemeinde München mit Unterstützung der Friedrich-Ebert-Stiftung erstellt wurde.
politiker privat Zu sehen ist dort auch David Rubingers vielleicht berühmtestes Foto: drei israelische Soldaten an der Klagemauer nur Minuten nach der Eroberung der Altstadt von Jerusalem 1967. Das Lieblingsbild des Israelpreisträgers aber ist ein anderes, eines mit pazifistischem Motiv: drei Tauben, die in einem ausgemusterten Kampfjet nisten. Damit leitet er seinen neuen Bildband ein, Israel durch mein Objektiv: Sechzig Jahre als Fotojournalist, erschienen im Pellens Verlag. Dort, wie in der Münchener Ausstellung, sind auch Rubingers private Porträts der israelischen Politprominenz zu sehen: Golda Meir füttert ihren Enkelsohn, Menachem Begin zieht seiner Frau einen Schuh an, Schimon Peres in kurzen Hosen räumt seine Bibliothek auf, Ariel Scharon kostet am Herd von der Suppe seiner Frau.
Er und Goldman, meint Rubinger, hatten das Glück, in einer Zeit zu arbeiten, als Bildberichterstatter sich Politikern noch relativ ungehindert nähern konnten, diese noch nicht von PR-Beratern und anderem Gefolge umgeben waren. Als Goldman Ben Gurion 1957 fotografierte, stand neben dem Premier nur ein unbewaffneter, ja nicht einmal angezogener Sicherheitsbeamter. Als Benjamin Netanjahu Jahrzehnte später auch einmal an einen Strand ging, sagt Rubinger, »war er von 16 Bodyguards umgeben«.
60 Jahre Pressefotografie aus Israel – Paul Goldman und David Rubinger. Gasteig München, bis 10. Mai
www.gasteig.de