Vorher. Währenddessen. Nachher. Aus mehr besteht Konversion, also Glaubensübertritt, nicht. Eigentlich. Die drei Stufen Alte Religion, rite de passage, also Übergang, und Neue Religion bilden die Teile einer typischen Konvertitengeschichte. Aber gibt es die eine typische Übertrittsgeschichte? Oder ist nicht doch eine jede anders, motiviert durch Sinnleere, Sinnsuche, Gemeinschaft und Liebe? Oder durch Zwang – man denke an die Conversos, die infolge der katholischen Inquisition per Oktroi getauften spanischen Juden – oder durch den opportunistischen Willen zu Aufstieg und Karriere?
brüche Die eigenen bisherigen Glaubensgrundsätze auf ihre individuelle Angemessenheit abzuklopfen und abzuhorchen, ist ein intimer Akt. Mit Überlieferungen, Traditionen, Familiengeschichten zu brechen, ist in der Regel ein Vorgang, der Kraft bedarf. Und dabei auf die Hoffnung setzt, dass der spirituelle Gewinn den Verlust des Althergebrachten mehr als aufwiegt. Dass die neue, andere Religion stärkeren Halt gibt, größere oder überhaupt erst Erfüllung.
Kuratiert von Hannes Sulzbacher ist diese Schau eine Kooperation des Jüdischen Museums Hohenems in Vorarlberg, des Frankfurter Jüdischen Museums und des Jüdischen Museums zu München. Wo sie nun vielleicht in der adäquatesten Form gezeigt wird. Denn im ersten Stock des Gebäudes am St. Jakobsplatz kann sie weit flutend, mit viel Platz ausgebreitet werden.
toleranz Wie aber führt man in einer Ausstellung Religionspsychologie vor, Religionssoziologie, Geschichte und Geschichten, die vielfältig und vielfältig gebrochen, die oft komplex sind? Und wie kann man einen sehr privaten Akt zeigen, mit Respekt, mit Dezenz und mit Toleranz? Schließlich wird nicht nur die Konversion vom Christentum zum Judentum thematisiert oder vom Judentum zum Christentum – etwa die Fälle des französischen Poeten und Malers Max Jacob und von Edith Stein, denen der Übertritt zum Katholizismus nicht das Leben rettete – beide wurden Opfer der Schoa –, sondern auch weitere Konfessionen und Konversionen.
Was in München präsentiert wird, ist eine leseintensive Ausstellung. Der inneren Struktur folgend hat der Architekt Martin Kohlbauer eine Abfolge von drei mehr oder weniger durchlässigen Raumsektionen gestaltet. Abgetrennt sind sie nur durch Kettenvorhänge. Und doch unterscheiden sie sich optisch voneinander. Ist der Auftakt noch relativ locker gestaltet mit mehr als einem Dutzend Vitrinen, so ist der mittlere Raum leicht erhoben, ein weißer Boden ist eingezogen. Hier sind verstärkt Filmbeispiele zu sehen und Akustisches per Kopfhörer zu erleben.
Der ebenfalls quadratische Schlussraum zeigt dann die unterschiedliche Einschätzung und das Ergebnis einer Konversion. Stieg Gustav Mahler nach der Taufe zum Opernhausdirektor auf, dem unter der Hand im Wien um 1900 dennoch massiv Antisemitismus entgegenschlug, so äußerte sich Heinrich Heine ironisch verbittert, weil er nach seiner Taufe zwischen allen Stühlen saß. Bei anderen der mehr als 40 Personen aus fünf Jahrhunderten reicht der Bogen von gefundenem Glück über Missmut bis zu Ablehnung durch die neuen Glaubensbrüder.
kurioses Dass Sulzenbacher allerdings auch Kurios-Pittoreskes ins Spiel bringt, so die Religionsparodie Flying Spaghetti Monster oder eine Scientology-Abspaltung, untergräbt das Dramatische dieser einschneidenden Lebensveränderung. Vor die Räume mit transparenten Wänden hat Kohlbauer dabei einen Gang angelegt, der ab dem Betreten des Saales dessen gesamte Länge entlangreicht und so, durch die Fortbewegung auf das Auftaktexponat »Abraham zerschlägt die Götzen«, eine innere Fortbewegung aufzeigt: vom Alten zu Neuem.
»Diese Ausstellung«, so Hannes Sulzbacher, »zeigt eher, wieso man so schwierig miteinander reden kann.« Das tut sie, keine Frage. Aber: Der letzte Teil des Ausstellungstitels bleibt am Ende dann sacht unbeantwortet. Zumindest, wenn man ihn so betont, dass das »Warum« akzentuiert wird und der Satz am Ende wie eine Frage klingt. Die sich rasch einstellenden weiterführenden Fragen handelt tiefer und erschöpfender das Begleitbuch ab.
»Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln«. Jüdisches Museum München, bis 2. Februar 2014
www.juedisches-museum-muenchen.de