Patricia Thielemann

»Bei sich zu Hause ankommen«

Die Yoga-Lehrerin über Beweglichkeit, mentale Stärke und die Zeit nach der Krise

von Katrin Richter  03.04.2020 08:06 Uhr

Patricia Thielemann Foto: Marco Limberg

Die Yoga-Lehrerin über Beweglichkeit, mentale Stärke und die Zeit nach der Krise

von Katrin Richter  03.04.2020 08:06 Uhr

Frau Thielemann, es gibt sehr viele Einschränkungen zurzeit. Gibt es auch etwas Positives?
Eigentlich gibt es keine bessere Zeit als jetzt, um tief durchzuatmen und eine Bewegungsroutine zu entwickeln. Wenn die Welt um uns herum so unüberschaubar und besorgniserregend ist wie jetzt, dann kann man sich entweder selbst noch verrückter machen, indem man alle paar Minuten Nachrichten schaut, oder man kann die Zeit nutzen, um in den eigenen vier Wänden besonders tief durchzuatmen.

Was bewirkt das bewusste tiefe Durchatmen?
Durch gezielte Bewegung kann die  Schockstarre aufgelöst werden, und wir können den heiligen inneren Raum in uns selbst entdecken. In der Corona-Krise, der wir alle ausgeliefert sind und deren Ende noch nicht in Sicht zu sein scheint, kann es durchaus helfen, durch Yoga und Meditation auch innerlich einen gesunden Abstand zu den körperlichen, psychischen und auch wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Virus zu bekommen. Ich denke da an das Zitat von Viktor Frankl: »Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.« Insofern birgt diese Krise auch eine Chance.

Welche?
Die einer Wandlung. Wenn die Welt weder Halt und ausreichend Ablenkungsmanöver bietet, dann werden wir gnadenlos auf uns selbst zurückgeworfen. Wir können uns dagegen mit Händen und Füßen wehren oder wir können die Zeit nutzen, uns auf das Wesentliche zu besinnen: Liebe, Güte, Hilfsbereitschaft in unser Umfeld tragen und den Mut aufbringen, uns unseren Sorgen und Ängsten zu stellen.

Wie kann Yoga dabei helfen?
Yoga und Meditation sind eben keine seichte Beschäftigungstherapie, sondern eine wirksame Bewältigungsstrategie, um mit den Auswirkungen von Corona mental besser umgehen zu können. Die regelmäßige und bewusste Übungspraxis kann nicht nur den über Tagen und Wochen angestauten Druck und Stress auflösen, unser Immunsystem stärken und eine stoische Grundhaltung fördern. Ich denke auch, dass uns durch den bewussten Umgang mit dieser Krise ein Licht aufgehen kann. Vieles von dem, was wir sowieso denken und fühlen, spitzt sich jetzt nur zu. In esoterischen Kreisen besteht die Gefahr, dass vorschnell Lösungen angeboten werden. Wenn wir aber erkennen, dass es die so gar nicht geben kann und dass jeder Einzelne von uns seinem Grund auf die Spur gehen muss, dann liegt in dieser Erkenntnis auch die große Chance, endlich nach Hause zu finden. Wenn wir in uns selbst ruhen, wird unsere Sicht auf das Leben wieder klarer.

Braucht man dazu eine Krise?
Die Wahrheit, die einem in solchen Momenten begegnet, ist eine, die auch ohne Corona da wäre, aber die durch die Beschäftigung, die wir im Alltag haben, weicht. Wir fühlen oft gar nicht, was wirklich Sache ist: Wie erschöpft wir vielleicht sind, wie gereizt, dass unsere Ehe vielleicht nicht so ist, wie wir uns das vorstellen. Es ist so leicht, sonst Problemen davonzulaufen, und nun müssen wir der Wahrheit ins Gesicht sehen.

Kommen wir einmal zum ganz Praktischen: Welche Übungen können Sie empfehlen, um in Form zu bleiben?
Alles Entstressende: Man kann sich einfach auf den Boden legen, die Hände auf den Bauch legen und ganz tief in den Bauch hineinatmen. Das hilft uns, herunterzukommen. Wenn wir den Fokus auf lange Ausatmung legen, dann hat das eine Wirkung auf unser vegetatives Nervensystem. Es wird beruhigt, und dadurch entstressen wir. Zum anderen sind Übungen gut, die den angestauten Stress loslassen. Kraftübungen, wie Liegestütze oder alle Übungen, die die Körpermitte stärken, bieten sich an. Ich mache zurzeit auch Videos, die diese beiden Aspekte ansprechen. Aber auch ohne Videos geht so etwas.

Überall?
Wenn es irgendwie geht, sollte man sich dafür einen Ort suchen, an dem man für eine halbe Stunde oder eine Stunde am Tag Ruhe hat. Und: Machen Sie sich diesen Ort, so klein er auch sein mag, schön: nicht halb unter dem Schreibtisch, neben dem Mülleimer. Stellen Sie sich vielleicht eine Kerze auf. Denn diese äußeren Dinge helfen, zu sich zu finden. Sich einmal am Tag einen Moment der Einkehr für sich zu nehmen, kann helfen, alles, was man jetzt bewerkstelligen muss, zu jonglieren, um nicht Spielball der eigenen Gedanken zu werden. Man sollte aber nicht asketisch werden. Das Einzige, was einem noch bleibt zur Ablenkung, ist das Essen, scheint es mir. Deswegen: Man sollte mal ein gesundes Rezept ausprobieren, frischen Ingwertee trinken oder mit Salzwasser gurgeln und die Nase spülen.

Wie überbrücken Sie denn die Zeit?
Ich versuche, mit den Kindern Turnübungen zu machen. Jeder darf eine vorschlagen. Ich habe zwei Söhne, und die muss man auspowern. Und das tun wir gemeinsam. Ich selbst stehe um fünf Uhr morgens auf – Durchhängen kann ich später – und mache für mich ein paar Übungen. Das ist dann mein Raum, der mir dabei hilft, in innerer Balance zu bleiben und zu mir zu kommen.

Mit der Yoga-Expertin und Spirit Yoga-Gründerin sprach Katrin Richter

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