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Bauchtanz gegen den Mossad

Wie ägyptische B-Movies und Seifenopern den »zionistischen Feind« bekämpfen

von Fabian Wolff  16.07.2013 09:37 Uhr

Giftige Seifenblasen: Szenen aus »Cousins« (r.o. und l.u.) und aus »Reiter ohne Pferd« (r.u.) Foto: Thinkstock / (M) Frank Albinus

Wie ägyptische B-Movies und Seifenopern den »zionistischen Feind« bekämpfen

von Fabian Wolff  16.07.2013 09:37 Uhr

Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):

Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.

Habiba lacht, weil wir uns einen schlechten Film ansehen. Habiba und ich sind ein Paar. Ein Inter-Paar: interkulturell und interreligiös. Habiba kommt aus Kairo, war mal Muslimin und studiert hier. Ich bin einen Monat vor dem Fall der Mauer in Ostberlin geboren und lebe jetzt im Wedding, mit einer Mesusa am Türrahmen – innen. Uns verbindet die Bewunderung für Tony Judt.

Irgendwann hat Habiba angefangen, mir von Filmen aus Ägypten zu erzählen. Nicht nur von den guten, wie der Verfilmung von Der Jakubijan-Bau, sondern vor allem von den schlechten, mit schlechten Schauspielern, seichten Drehbüchern und ohne Logik. Ganz normale Unterhaltung der Kategorie »So schlecht, dass es schon wieder gut ist«, eigentlich. Nur dass in diesen Filmen das Böse immer aus Israel kommt.

entführung So wie in Cousins von 2009. Der Film beginnt mit einer Familie auf einem Spaziergang. Vater Ezzat schlägt vor, spontan ein Boot zu mieten. Sie fahren raus aufs Meer, als Ezzat seiner Frau Salwa enthüllt, sie 13 Jahre lang angelogen zu haben und eigentlich ein Mossad-Agent mit Namen Daniel zu sein. Plötzlich ist die Familie umzingelt. Dann wacht Salwa in einer fremden Wohnung auf. Als sie auf den Balkon tritt, sieht sie eine israelische Fahne. Man hat sie nach Tel Aviv verschleppt. All das passiert wohlgemerkt in den ersten sechs Minuten.

Zu Beginn präsentiert sich Israel so freundlich wie in einem Werbespot für Touristen. Salwas Nachbarin, eine Jüdin mit ägyptischen Wurzeln, hat einen Mann im Rollstuhl – »in Ägypten wäre er nichts wert, hier wird für ihn gesorgt!« Salwas Mann Ezzat/Daniel preist die Demokratie Israel, in der niemand über dem Gesetz steht und es kaum Korruption gibt. Der Chef ihres Mannes schenkt ihr sogar einen Koran. Doch Salwa sträubt sich gegen die falsche Freundlichkeit.

Zum Glück wird der ägyptische Agent Mostafa nach Tel Aviv geschleust, um Salwa zu befreien. Er arbeitet inkognito in einem Laden. Eines Tages dröhnen die Sirenen – es ist Jom Haschoa. »Wir gedenken der Massaker der Nazis« erklärt der alte Ladenbesitzer. »Und merkt ihr dabei auch, dass ihr mit den Palästinensern heute das Gleiche macht?«, fragt Mostafa.

Dann geht alles ganz schnell. Die vermeintlich freundlichen Menschen um Salwa entpuppen sich allesamt als Lügner und Spione. Selbst der Mann im Rollstuhl kann in Wirklichkeit laufen. Am Ende stehen sich Mostafa und Daniel im Kampf um die Liebe von Salwa gegenüber. »Wir sind das auserwählte Volk!«, prahlt Daniel. Doch nach Schlägen ins Gesicht mit einem Stahlrohr bettelt er: »Lass uns verhandeln!« Mostafa schlägt ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Am Ende stirbt Daniel in den Flammen.

agententhriller Cousins ist nicht sonderlich originell. Dieses Filmgenre hat Tradition. Nadia El Guindy, Ägyptens beliebteste Schauspielerin, begründete es in den 90er-Jahren mit einer ganzen Reihe von Agententhrillern. Filme wie Mission in Tel Aviv oder 48 Stunden in Israel sind alle nach dem gleichen Muster aufgebaut – El Guindy, eine rundliche Frau mit roten Haaren, damals schon über 50, begibt sich als verführerische, vage promiske Doppelagentin zwischen die Fronten von Ägypten und Israel. Bevor die Zionisten besiegt werden, gibt es immer eine Bauchtanznummer.

Habiba zeigt mir Ausschnitte aus diesen Filmen, die zwischen 1992 und 1998 gedreht wurden, aber aussehen wie billigste italienische Produktionen aus den Spätsiebzigern. Sie kehren, direkt oder indirekt, immer zu den Traumata des modernen Ägyptens zurück: der in der ägyptischen Wahrnehmung gewonnene Jom-Kippur-Krieg, der verlorene Sechstagekrieg, schließlich die De-facto-Vertreibung der damals fast 80.000 Juden in Ägypten nach der Gründung Israels.

Heute leben zwar nur noch zwischen 30 und 100 Juden im ganzen Land. Das Gefühl der Bedrohung durch die Zionisten (auch in Ägypten sagen viele »Zionist« und meinen »Jude«) ist dennoch allgegenwärtig. Die populäre Fernsehserie Reiter ohne Pferd bedient dieses Gefühl und facht es noch weiter an bis zum Hass. Das Historiendrama in 41 Teilen beginnt harmlos – zehn Folgen lang wird die Vorgeschichte des Protagonisten Hafez erzählt, Sohn einer Prinzessin und eines Bauernjungen.

Es gibt eine böse Königin, einen gerechten, aber schwachen König, Bannsprüche, Kellerverliese und schöne Pferde. Von einer antibritischen Bombe abgesehen könnte es auch eine Geschichte aus Tausendundeine Nacht sein.

monster Bis die Protokolle der Weisen von Zion ins Spiel kommen. Eine Gruppe böser Juden möchte unbedingt verhindern, dass ihr in dem – in den arabischen Ländern bis heute sehr verbreiteten – Buch beschriebener teuflischer Plan ans Licht kommt.

Die Juden sind als Monster dargestellt: groteske Fettsäcke mit schmierigem Haar, die sich die Hände reiben und Tiergeräusche machen, wenn sie Gold wittern. Dass es nur schlecht geschminkte Schauspieler mit Kissen unterm Hemd sind, die Possen reißen, macht die Serie noch verstörender – als ob in einer Daily Soap plötzlich ein dämonischer Schlomo die Kulisse betritt, sich ein kleines Kind greift und es schächtet.

Diesen bösen Juden gegenüber steht der Held Hafez, der ihre infernalischen Pläne enthüllen will. Parallel zu den Rangeleien um das Buch wird die Geschichte Ägyptens neu erzählt, die natürlich von den Juden gesteuert wurde. Nach 40 Folgen wird Israel gegründet, der Plan aus den Protokollen ist aufgegangen. Am Ende wendet sich Hafez an die Zuschauer: »Ich möchte eure Kinder vor diesem Geschwür namens Zionismus beschützen!«

Das erinnert an Jud Süß. Auch der Nazi-Propagandafilm endet mit einem ähnlichen Aufruf. Nachdem Josef Süß Oppenheimer auf dem Marktplatz hingerichtet wurde, wird der Judenbann über Württemberg ausgesprochen, »auf dass unsere Nachfahren es uns gleichtun, damit ihren Kindern viel Leid erspart bleibt.«

Mir ist übel. Ich finde das Ganze nicht mehr lustig. Auch Habiba lacht nicht. Wir beschließen, uns als Gegengift eine Folge der Satireshow von Bassem Youssef anzusehen, dem Jon Stewart Ägyptens. Auch das läuft dort mit Erfolg im Fernsehen.

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