Im Mai 1933 erwarb das Kunstmuseum Basel – die größte staatliche Kunstgalerie der Schweiz – bei einer Auktion 200 Zeichnungen, Radierungen und Drucke aus dem Besitz des deutschen Sammlers Curt Glaser. Darunter waren auch die wertvolle Lithografie »Madonna« des norwegischen Malers Edvard Munch, mit dem Glaser befreundet war, mehrere Kreidelithografien von Max Beckmann sowie Werke anderer namhafter Künstler wie Henri Matisse, Marc Chagall und Oskar Kokoschka.
Schnäppchen Der Ankauf war ein schönes Schnäppchen, wie die Basler Kunstkommission schon damals in einem Protokoll vermerkte. Heute wird der Wert der Glaser-Sammlung auf bis zu zwei Millionen Euro taxiert.
Als Jude war Glaser kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten von seinem Amt als Direktor der Berliner Kunstbibliothek entbunden worden. Den größten Teil seiner privaten Sammlung gab er daraufhin in den Verkauf. Kurz darauf floh er in die USA, wo er 1943 verstarb.
RÜCKGABE Schon 2008 verlangten seine Erben die Rückgabe der Werke, da Glaser sie nicht freiwillig verkauft habe. Dieses Ansinnen wurde von Schweizer Seite zunächst aber abgelehnt.
Im Jahr 2017 wandten sie sich dann erneut an das Museum und verwiesen auf die Washingtoner Erklärung von 1998, in der bei Raubkunstfragen eine »faire und gerechte Lösung« gefordert wird. Das Kunstmuseum entschied daraufhin, den Fall rechtlich zu prüfen und historisch aufzuarbeiten.
KAUFPREIS Ende 2018 wurde ein Bericht veröffentlicht, in dem anerkannt wird, dass Glaser NS-Opfer war und die Washingtoner Erklärung daher auf den konkreten Fall Anwendung finden müsse. Der tatsächliche Kaufpreis der Werke lag demnach 38 Prozent unter der Summe der im Versteigerungskatalog angegebenen Einzelpreise.
Allerdings kamen die mit der Prüfung beauftragten Experten zu dem Schluss, dass der jüdische Sammler zum Zeitpunkt seiner Auswanderung aus Deutschland noch eine relativ große Freiheit besaß, um Werke aus seinem Besitz frei zu verkaufen. Auch die Erlöse aus der Auktion seien ihm in vollem Umfang zugekommen.
ENTSCHÄDIGUNG Das Museum sprach sich deshalb gegen eine Restitution der Werke an die Erbengemeinschaft aus. Dennoch wurde den Erben jetzt eine finanzielle Entschädigung zugestanden, über deren Höhe beide Seiten aber Stillschweigen vereinbarten. Grundlage für ihre Berechnung sei eine Schätzung des Werts der Kunstwerke aus der Glaser’schen Sammlung gewesen, teilte das Museum mit.
Zudem soll 2022 eine umfangreiche Ausstellung über Curt Glaser im Kunstmuseum stattfinden. Ziel sei es, »eine historische Aufarbeitung der Rolle von Curt Glaser als Sammler, Kunsthistoriker, Kunstkritiker und Museumsleiter« zu leisten.
Der US-Anwalt David Rowland, der die Glaser-Erben in dem Rechtsstreit mit dem Kunstmuseum Basel vertrat, zeigte sich erfreut über die Einigung. »Die Schweiz war zwar im Krieg neutral, aber sie war ein Marktplatz für Kunst. Sie macht nun große Fortschritte, was den Umgang mit diesen Fällen angeht«, sagte er der »New York Times«.