Wuligers Woche

Baruch Haschem, wir sind divers!

»Was haben wir denn noch an Minderheiten?« Foto: Getty Images

Eine liberale jüdische Gemeinde irgendwo in Deutschland. Rabbiner, Kantorin und Gabbai beraten.

Rabbiner: Das Fernsehen hat vorhin angerufen. Die regionale Nachrichtensendung will unseren Gottesdienst am kommenden Schabbat aufnehmen.
Kantorin: Endlich werden wir auch mal wahrgenommen, und nicht nur immer die Orthodoxen.
Gabbai: Sind Fernsehaufnahmen am Schabbat halachisch überhaupt zulässig?
Rabbiner: Bei uns schon. Die amerikanischen Kollegen machen das ständig.
Gabbai: Warum wollen die uns eigentlich filmen?
Rabbiner: Für eine Reportage »Religionen und Rassismus in der Region – Wie Glaubensgemeinschaften sich für Diversity einsetzen.«
Gabbai: Was ist Diversity?
Kantorin: Vielfalt der Kulturen und Geschlechter. Keine Diskriminierung von sexuellen Minderheiten oder Behinderten. Also genau das, wofür unsere Gemeinde steht. Bei uns geben alte, weiße Männer nicht den Ton an.
Rabbiner: Eben! Deshalb wird das Fernsehteam dich prominent ins Bild rücken.
(Kantorin lächelt stolz.)
Rabbiner: Das Problem ist, dass das den Fernsehleuten nicht reicht. Die Redakteurin hat gesagt, dass sie einen kurzen Kameraschwenk durch die Synagoge machen will, der unsere Diversity sichtbar macht. Was haben wir denn noch an Minderheiten?
Gabbai: Amnon und Leo sind schwul.
Kantorin: Und sie haben diese süßen Regenbogen-Kippot im Partnerlook.
Rabbiner: Dann brauchen wir noch jemand Behindertes.
Gabbai: Der alte Lewin sitzt im Rollstuhl. Aber er kommt kaum noch, weil es immer so mühsam ist, Leute zu finden, die ihn die fünf Stufen am Synagogeneingang hochtragen.
Rabbiner: Mist. Das würde im Fernsehen nicht gut aussehen. Diversity und nicht mal barrierefrei. Er soll eine Stunde früher da sein. Du besorgst ein paar Leute zum Tragen. Weiter: Die Frau vom Fernsehen hat gefragt, ob wir in unserer Gemeinde auch People of Color haben, also Nichtweiße.
Gabbai: Pnina Azoulay hat einen relativ dunklen Teint. Ihre Familie stammt, glaub’ ich, aus Marokko.
Rabbiner: So dunkel nun auch nicht. Und mit den Scheinwerfern vom Fernsehen wird sie wahrscheinlich genauso weiß aussehen wie der Rest der Gemeinde auch. Nein, das reicht nicht. Gibt’s nicht irgendwen wirklich Dunkles?
Kantorin: Helga Lauber …
Rabbiner (unterbricht): Die ist nicht schwarz. Sie ist Deutsche und vor drei Jahren übergetreten.
Kantorin: Wenn du mich mal ausreden lassen würdest: Helga war zehn Jahre mit einem Angolaner verheiratet und hat zwei Kinder von ihm.
Rabbiner: Und kommen sie mehr nach ihr oder ihm?
Kantorin: Eindeutig nach ihm. Sehr dunkel mit Afrofrisuren.
Rabbiner: Warum habe ich die hier noch nie gesehen?
Kantorin: Weil die anderen Kinder sie immer ärgern, sagt Helga.
Rabbiner: Ich werde den Eltern klarmachen, dass sie dafür sorgen sollen, dass ihre Gören sich ein paar Stunden zusammenreißen. Das wäre dann geklärt. Ich setze mich jetzt mal an die Predigt: »Black Lives Matter – Vor Gott sind wir alle schwarz«.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025