Paris

»Bambi«-Neuverfilmung: Nah an Felix Saltens Original

Rehwild (capreolus capreolus) in der Normandie (Symbolbild) Foto: picture alliance / imageBROKER

Kaum ein Tier hat sich so tief ins kollektive Filmgedächtnis eingebrannt wie Bambi – seit Disneys Zeichentrickklassiker von 1942. Mehr als achtzig Jahre später wagt der französische Regisseur Michel Fessler eine neue Filmversion: »Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde«.

Es ist nicht das einzige Disney-Remake der jüngsten Zeit - kürzlich sorgte das neue »Schneewittchen« für Diskussionen. Fessler wählt allerdings in »Bambi« eine ganz andere Herangehensweise - mit einer visuell eindrucksvollen Realverfilmung.

Die Coming-of-Age-Geschichte des jungen Hirschkalbs bleibt nah an der naturphilosophischen Stimmung des gleichnamigen Buches von Felix Salten, einem Juden aus Österreich-Ungarn aus dem Jahr 1923. Die größte Stärke liegt in den authentischen Bildern – emotional bleibt der Film allerdings etwas auf Distanz.

Rehe, Füchse, Raben und Wildschweine

Sprechende Häschen und Hirsche? Fehlanzeige. In Fesslers Bambi stehen echte Tiere vor der Kamera: Rehe, Füchse, Raben und Wildschweine – gedreht über 16 Wochen in einem Naturpark. Auf Animation und digitale Effekte verzichtet der Film.

Stilistisch orientiert sich Fesslers Werk stark am Naturdokumentarfilm. Die Bilder sind kraftvoll: stille, langsame Aufnahmen, untermalt von sanfter Musik. Der Mord an Bambis Mutter, die von Jägern erschossen wird, bleibt im Off – kinderschonend und unaufdringlich.

Es gibt keinen Dialog, keine Tierstimmen; stattdessen spricht Senta Berger aus dem Off, flüsternd und beschwörend, manchmal jedoch etwas monoton. Anstelle erklärender Einordnungen liefert sie poetische Kommentare, die Emotionen wecken sollen – diese aber nicht immer ganz erreichen.

Lesen Sie auch

Von den Nazis verboten

Fesslers »Bambi« richtet sich nicht nach Disneys romantisierter Fassung, sondern folgt Saltens Originalroman. Darin zeichnet der österreichisch-ungarische Autor, der selbst ein Jäger war, ein unsentimentales Bild des Lebens im Wald – voller existenzieller Fragen und ohne Verniedlichung.

Besonders eindrucksvoll: der schonungslose Blick auf den Menschen, seine Motive, seine tödliche Macht. Das Buch wurde 1936 von den Nazis verboten und Salten musste ins Exil. Heute ist das Werk gemeinfrei und bildet die Grundlage für Fesslers Neuinterpretation.

In Frankreich sorgte der Film bereits im Vorfeld für Diskussionen. Tierschutzorganisationen kritisierten den Einsatz lebender Wildtiere. Das Produktionsteam betonte, dass jede Szene mit größter Rücksicht auf die Tiere gedreht worden sei. Trotzdem bleibt eine grundsätzliche Frage: Wie zeitgemäß ist der Einsatz dressierter Tiere im Film?

Fell und Federn

Fesslers Entscheidung für den Realfilm war nicht nur stilistisch motiviert, sondern knüpft an sein bisheriges Werk an. Schon in »Die Reise der Pinguine« rückte er als Drehbuchautor die Tierwelt ins Zentrum.

»Ich wollte durch die Geschichte von Bambi dem Tier seinen Platz im natürlichen Staunen über den Wald zurückgeben«, sagte er. »Dafür musste es aus Fell und Federn bestehen – es musste real sein, greifbar, zum Staunen für Kinder wie Erwachsene.«

Im Gegensatz zu Disney-Neuverfilmungen wie »Der König der Löwen« oder aktuell »Schneewittchen« sucht Fessler nach einer eigenen filmischen Sprache. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen Märchen und Naturdokumentation – ein mutiger Versuch mit Stärken und Schwächen.

Visuell beeindruckend, bleibt der Film emotional etwas auf der Strecke, auch wenn das Hirschkalb seine Momente kindlicher Niedlichkeit hat. Wer sich jedoch auf Fesslers Naturkino einlässt, entdeckt eine stille Hommage an das Ursprüngliche und eine kritische Reflexion über unsere Entfremdung von der Natur und dem echten Leben jenseits der Bildschirme. (mit ja)

Berlin

»Eine Zierde der Stadt«- Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum im denkmalgeschützten Gebäude der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin-Mitte eingeweiht

 28.04.2025

Fernsehen

»Persischstunden«: Wie eine erfundene Sprache einen Juden rettet

Das Drama auf Arte erzählt von einem jüdischen Belgier, der im KZ als angeblicher Perser einen SS-Mann in Farsi unterrichten soll. Dabei kann er die Sprache gar nicht

von Michael Ranze  25.04.2025

100 Jahre "Der Prozess"

Was Kafkas »Der Prozess« mit KI und Behörden-Wirrwarr gemeinsam hat

Seine Liebesworte gehen auf TikTok viral. Unheimlich-groteske Szenen beschrieb er wie kein Zweiter. In Zeiten von KI und überbordender Bürokratie wirkt Franz Kafkas Werk aktueller denn je - eben kafkaesk

von Paula Konersmann  25.04.2025

Reykjavik

Island fordert Ausschluss Israels vom ESC

Das Land schließt sich damit der Forderung Sloweniens und Spaniens an. Ein tatsächlicher Ausschluss Israels gilt jedoch als unwahrscheinlich

 25.04.2025

Popkultur

Israelfeindliche Band Kneecap von zwei Festivals ausgeladen

Bei Auftritten verbreiten die irischen Rapper Parolen wie »Fuck Israel«. Nun zogen die Festivals Hurricane und Southside Konsequenzen

von Imanuel Marcus  25.04.2025

Berlin/Brandenburg

Filmreihe zu Antisemitismus beim Jüdischen Filmfestival

Das Festival läuft vom 6. bis 11. Mai

 25.04.2025

Fernsehen

Ungeschminkte Innenansichten in den NS-Alltag

Lange lag der Fokus der NS-Aufarbeitung auf den Intensivtätern in Staat und Militär. Doch auch viele einfache Menschen folgten der Nazi-Ideologie teils begeistert, wie eine vierteilige ARD-Dokureihe eindrucksvoll zeigt

von Manfred Riepe  24.04.2025

Meinung

Nur scheinbar ausgewogen

Die Berichte der Öffentlich-Rechtlichen über den Nahostkonflikt wie die von Sophie von der Tann sind oft einseitig und befördern ein falsches Bild von Israel

von Sarah Maria Sander  24.04.2025

Imanuels Interpreten (8)

Carly Simon: Das Phänomen

Die Sängerin und Songschreiberin mit jüdisch-deutschem Familienhintergrund führt ein aufregendes, filmreifes Leben – Verbindungen zu einer singenden Katze, einem rollenden Stein, zu Albert Einstein und James Bond inklusive

von Imanuel Marcus  24.04.2025