Finale

Ayalas Welt

Internationale Polizeifestspiele» hat ein Ordnungshüter sarkastisch das erste Maiwochenende in Berlin genannt. Tausende seiner Kollegen, viele von ihnen aus anderen Bundesländern abgeordnet, durften mal wieder Neonazis und krawallsüchtige Linksextreme trennen und sich mit dem traditionellen Steine- und Flaschenwerfen am 1. Mai in Kreuzberg herumärgern. Da muss man Chabad Lubawitsch geradezu dankbar sein, einen gewaltfreien schwarzen Block mobilisiert zu haben – zu einer Lag-Baomer-Parade am 2. Mai auf dem Kurfürstendamm. Mit «Freude und Stolz», so die Chassidim in ihrem Demo-Aufruf, sollten Berliner Juden ihre Kultur präsentieren und so ein «positives lebendiges Miteinander erleben». Die Polizei wird sich außerordentlich gefreut haben, am ersten Maiwochenende auch noch Juden beschützen zu dürfen, aber der Sterbetag von Schimon Bar Jochai lässt sich nun einmal nicht verschieben. Schade bloß, dass es auf dem Ku’damm kein Lagerfeuer gab, sonst hätte man den Gojim demonstrieren können, wie echte Juden Lag-Baomer feiern.

Ich war nicht auf der Parade. Obwohl ich das Motto ganz toll fand: Für Frieden und Toleranz! Als ich zwischen 11 und 15 Jahren alt war, gehörte es zu meinen Hobbys, für den Frieden zu demonstrieren (und den Polizisten zuzurufen: «Ich bin nichts! Ich kann nichts! Gebt mir eine Uniform!») Ich war 1981 im Bonner Hofgarten, ich habe 1983, bei der Menschenkette zwischen Ulm und Stuttgart, gegen US-Raketen Händchen gehalten, ich war 1985 in Mutlangen. Damals fand ich es großartig, in einer Menge von Menschen aufzugehen, die angeblich alle das Gleiche wollten. Inzwischen bin ich älter. Massenaufläufe können mein Herz nicht mehr erwärmen – obwohl ich wehmütig an die Zeiten zurückdenke, als die Fronten so klar schienen. Außerdem bringe ich «Stolz», «Judentum» und «Demonstration» nicht auf einen Nenner. Nicht, dass mir mein Judentum peinlich wäre, Gott bewahre. Andererseits: Ist es mein Verdienst, als Jüdin geboren zu sein? Deshalb verstehe ich, dass die Jüdische Gemeinde zu Berlin in einer Pressemitteilung erklärte, man unterstütze natürlich Frieden und Toleranz, lehne jedoch «die Unterstützung von Paraden, öffentlichem Kerzenzünden und ähnliche Darstellung einer äußerlichen Form von jüdischem Leben als Stereotypisierung ab». Das, nachdem eine dpa-Meldung die Gemeinde als angeblichen Fan der Lubawitsch-Parade geoutet hatte.

Zu meiner Schulzeit gab es einen Religionslehrer, der ganze Klassen abordnete, wenn in der Stadt eine Friedensdemo angesagt war. Wer nicht hinging, musste sich rechtfertigen. Zum Glück ist «Heraus zum 1. Mai!» in Berlin heute keine Pflichtveranstaltung mehr. Auch nicht zum 2. Mai. Also bin ich am Wochenende guten Gewissens zu Hause geblieben. Der Einzige aus unser Familie, der demonstriert hat, war unser Sohn. Er hat mit Bauklötzen im Kinderzimmer geschmissen.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025