Finale

Ayalas Welt

Neulich war ich im Café Bleibergs, um eine Frau mit zwölf Kindern zum Thema Pessach- und Frühlingsputz zu interviewen. Über uns, an der Heizung, hing ein besticktes Tuch mit der Aufschrift Eshet Chayil Mi Yimza. Frei übersetzt: Wem eine tüchtige Hausfrau beschert ist, der kann sich glücklich schätzen. »Diese Inschrift würde ich mir gerne in unsere Küche hängen, das wäre doch lustig«, sagte ich zu meinem Mann, als ich nach Hause kam. »Lieber nicht«, sagte der beste Ehemann von allen, »es würde mich jeden Tag an mein Unglück erinnern.«

NEID Solche Sprüche lassen mich kalt. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich mich nach dem Gespräch im Bleibergs irgendwie unzulänglich gefühlt habe. Nicht, weil meine Interviewpartnerin, eine lebensfrohe, zupackende, orthodoxe Jüdin, genau in dem Alter mit dem Kinderkriegen fertig war, als ich gerade mal einen Sohn auf die Welt gebracht hatte. Nein, es ist klar, dass wir in unterschiedlichen Welten leben – zwölf Schwangerschaften hätte ich nicht durchgestanden. Worum ich sie aber wirklich beneide, ist ihr Durchhaltevermögen beim Pessach-Putz. Schon seit Tagen durchforstet sie die Wohnung nach dem letzten Krümel, ihre Kinder weißeln die Wände, jeder Schrank wird von innen geputzt und abgestaubt. Und ich? Mein Schreibtisch ist ein Bermuda-Dreieck, mit Glück fische ich die richtigen Unterlagen aus dem Trüben. Seit Jahren habe ich den Vorsatz, mein Arbeitszimmer aufzuräumen. Doch der Vorsatz, ENDLICH ALLES IN ORDNUNG zu bringen, ist so gewaltig, dass es einfacher ist, nichts zu tun.

Dabei wäre Pessach eine fantastische Gelegenheit. Schließlich heißt Seder »Ordnung« – und wie schön wäre es, wenn am Sederabend wenigstens in meinem Arbeitszimmer Ordnung herrschen würde. Aber es gibt ja so viele Vermeidungsstrategien. Immer wartet irgendeine Deadline, oder eine Krankheit bricht aus, die Nebenhöhlen sind verstopft, oder der innere Schweinehund knurrt zu laut. Trotzdem habe ich mir vorgenommen, bis Pessach aufzuräumen. Read my lips!

VORSATZ Denn schließlich soll sich jeder Jude an Pessach so betrachten, als ob er selbst aus dem Chaos in Ägypten ausgezogen wäre. Und: Der Auszug war nicht nur Gottes Werk, sondern die Juden mussten ihm auch ein bisschen entgegenkommen. Ich werde also mit starker Hand und erhobenem Arm die besonders problematische Ecke links hinten aufräumen, wenn ich diese Glosse beendet habe. Und dann den ganzen Schreibtisch. Und das CD-Regal. Und mein Archiv.

Und wenn dann Pessach gekommen ist und Ordnung herrscht (jedenfalls ein bisschen), werde ich mir ein Schild mit der Inschrift Eshet Chayil basteln und es über meinen Schreibtisch hängen. In den Sprüchen König Salomos sagt der Mann zu seiner Frau: »Es sind wohl viele tüchtige Frauen, du aber übertriffst sie alle.« Schön wär’s! Zum Glück gibt es auch Komplimente, die nicht in der Bibel stehen.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie wechselt sich an dieser Stelle mit Beni Frenkel ab.

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025

Film

»Dude, wir sind Juden in einem Zug in Polen«

Bei den Oscar-Nominierungen darf man mit »A Real Pain« rechnen: Es handelt sich um eine Tragikomödie über das Erbe des Holocaust. Jesse Eisenberg und Kieran Culkin laufen zur Höchstform auf

von Lisa Forster  13.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  12.01.2025

Omanut Zwillenberg-Förderpreis

Elianna Renner erhält Auszeichnung für jüdische Kunst

Die Schweizerin wird für ihre intensive Auseinandersetzung mit Geschichte, Biografie und Politik geehrt

 12.01.2025