Finale

Ayalas Welt

Die Finanzkrise hat mir neulich wieder eine schlaflose Nacht bereitet. Fieberhaft grübelte ich darüber nach, was ich tun sollte, wenn das Bankensystem weltweit zusammenbricht und eine Hyperinflation ausbricht wie in den 20er-Jahren. Leider besitze ich weder Immobilien noch Goldbarren, also nichts, was nützlich wäre, wenn unsere Miete von 1.000 auf eine Milliarde Euro steigt und Plünderer die Regale von Aldi leergeräumt haben.

inflationsangst Gegen vier Uhr kam mir endlich die zündende Idee: Wir sollten auf Naturalienwirtschaft umsteigen, und zwar schon jetzt. »Warum pachten wir nicht endlich einen Schrebergarten?«, sagte ich zu meinem Mann beim Frühstück. »Wir könnten Kartoffeln anbauen.

Wenn die große Inflation kommt, haben wir immer etwas zu essen. Vielleicht können wir die Kartoffeln sogar ab und zu gegen ein Huhn eintauschen.« Mein Mann zeigte mir den Vogel: »Du kannst doch nicht einmal Unkraut im Hof jäten.« Hätte ich wirklich agrarisches Talent, argumentierte er, wäre ich Kibbuzbäuerin geworden statt Journalistin. Außerdem sei es so gut wie ausgeschlossen, dass ich mich reibungslos in die Gemeinschaft der »Kolonie Frohsinn« integrieren könnte.

Wahr ist, dass ich keine Ahnung habe, wie man Gemüse anbaut. Doch da gibt es Abhilfe: Im Internet habe ich die Aktion www.bauerngarten.net entdeckt. Menschen wie du und ich können am Rand von Berlin ein Stückchen Land pachten – erfahrene Gärtner pflanzen darauf Kartoffeln, Kürbisse und Mangold, alles in Bio-Qualität.

Nur wenige Stunden eigene Arbeit pro Woche fallen an, und im Herbst können die Hobbygärtner reiche Ernte einfahren. Ich war begeistert. Einige Tage später machte ich mich auf zum Erntefest in Großziethen. Am Horizont zeichneten sich die Hochhäuser von Gropiusstadt ab, einem bekannten sozialen Brennpunkt Berlins. Aber das Fest war ein Idyll: Es gab köstliche Kürbissuppe und Bio-Apfelsaft. Das Lagerfeuer rauchte, aus einem Bauwagen dröhnte Musik. Hier war mein Platz: Mit Bio-Gemüse gegen die Hyperinflation.

blumenkasten Nur mein Mann riss mich wieder aus meinen Träumen. »Weißt du, was passieren wird, wenn die große Inflation wirklich kommt?«, warf er ein. »Die Hungrigen aus Gropiusstadt sind viel schneller am Kartoffelfeld als du. Willst du Tag und Nacht deinen Acker bewachen?«

Ich musste zugeben, daran hatte ich nicht gedacht. Einen Waffenschein besitze ich auch nicht. Nun trachte ich weiter nach Anti-Inflations-Strategien und spanne derweil meinen privaten Rettungsschirm auf unserem Balkon auf. Immerhin können wir in den Blumenkästen Tomatenstauden und Kräuter anpflanzen. Besser als nichts!

Literatur

Die Heimatsuchende

Vor 50 Jahren starb Mascha Kaléko. Ihre Dichtung bleibt erschreckend aktuell

von Nicole Dreyfus  15.01.2025

TV-Tipp

Furchtlose Kunstliebhaber in der NS-Zeit

Während des Nationalsozialismus sollten »entartete« Kunstwerke beseitigt werden, aber einige Mutige setzten zur Rettung der Werke ihr Leben aufs Spiel. Eine 3sat-Dokumentation zeichnet einige Fälle nach

von Wolfgang Wittenburg  15.01.2025

Konzerte

Yasmin Levy in München und Zürich

Die israelisch-türkische Künstlerin aus einer sephardischen Familie singt auf Ladino, bzw. Judäo-Spanisch, einer fast vergessenen Sprache

von Imanuel Marcus  15.01.2025

Malerei

First Ladys der Abstraktion

Das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden zeigt farbenfrohe Bilder jüdischer Künstlerinnen

von Dorothee Baer-Bogenschütz  14.01.2025

Leipzig

»War is over« im Capa-Haus

Das Capa-Haus war nach jahrzehntelangem Verfall durch eine bürgerschaftliche Initiative wiederentdeckt und saniert worden

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

Krefeld

Gütliche Einigung über Campendonk-Gemälde

An der Einigung waren den Angaben nach die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), das Land NRW und die Kulturstiftung der Länder beteiligt

 13.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Mascha Kaléko

Großstadtdichterin mit sprühendem Witz

In den 20er-Jahren war Mascha Kaléko ein Star in Berlin. Die Nazis trieben sie ins Exil. Rund um ihren 50. Todestag erleben die Werke der jüdischen Dichterin eine Renaissance

von Christoph Arens  13.01.2025