Finale

Ayalas Welt

Alle Welt redet über den demografischen Wandel – also werde auch ich meinen Senf dazugeben. Ja, es beunruhigt mich außerordentlich, dass Deutschland zu einer Gesellschaft von Tattergreisen zu werden droht. Seit 1972 ist die Sterberate hierzulande höher als die der Geburten, stand in der Zeitung; bis 2025 werde der Anteil der 19- bis 24-Jährigen in Berlin um mehr als ein Viertel schrumpfen. Ich habe einen kleinen Sohn, und es erscheint mir unfair, dass der Junge irgendwann zwei Rentner (hoffentlich nicht seine Eltern!) ernähren muss.

rentnerrepublik Unlängst habe ich mich mit einem israelischen Journalisten über das Problem unterhalten. »Wenn die Deutschen weiterhin so wenig Kinder zeugen, werden sie irgendwann aussterben«, sagte ich. Der Israeli grinste schadenfroh: »Hältst du das für eine schlechte Nachricht?«

Man muss dem Mann zugutehalten, dass seine Vorfahren mit Deutschen nicht die besten Erfahrungen gemacht haben. Ich aber wünsche mir, dass mein Sohn in einer jungen Gesellschaft groß wird. Außerdem frage ich mich, was aus Deutschland werden soll, wenn Leute wie der Fast-Schon-Rentner Horst Seehofer sich durchsetzen. Wird die hiesige »Leitkultur« in 20 Jahren aus Phrasendreschen und Skatspielen in schicken Altersresidenzen bestehen, wo wohlha- bende Pensionäre die letzten Reserven der Republik verprassen, während Zuwanderer aus der ganzen Welt um Deutschland einen großen Bogen machen?

fromm und kinderreich Ich hätte da eine bessere Idee. Hat Seehofer nicht unlängst von den »christlich-jüdischen Wurzeln« der deutschen Leitkultur gesprochen? Eine »weitergehende Migration aus fremden Kulturkreisen« will der CSU-Mann auf keinen Fall – die Juden dagegen zählt er offenbar zur Familie. Wir sollten ihn beim Wort nehmen. In Israel leben viele an Kindern reiche, ansonsten wenig begüterte Haredim in Bnei Brak und Mea Schearim. Wäre es nicht eine schöne Idee, große Kontingente von ihnen nach Deutschland zu holen? Am besten nach Bayern, wo Männer mit Bärten und komischen Hüten eh zur traditionellen Folklore gehören. Eine solcher Schritt würde auch die leicht sinkenden Mitgliederzahlen der hiesigen jüdischen Gemeinden steigern. Nur eine Generation später könnten hundert neue jüdische Kindergärten eröffnet werden, und der christlich-jüdische Dialog stünde vor neuen Herausforderungen.

Ich gebe zu, mein Vorschlag hat einen Haken. Chassidim sind nicht als Facharbeiter und IT-Spezialisten bekannt. Lieber studieren sie ihr Leben lang Tora. Eine sinnvolle Tätigkeit gewiss, die aber nicht zum Bruttosozialprodukt beiträgt. Wer soll das finanzieren? Am Ende wahrscheinlich doch wieder mein Sohn. Ich muss über die Lösung des demografischen Problems weiter nachdenken.

Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025