Endlich Urlaub! Es gibt doch nichts Schöneres, als den »Jamim HaNoraim«, den schrecklichen Feiertagen, zu entfliehen. Bei Eltern, deren Kinder eine jüdische Kita besuchen, kehrt an Rosch Haschana, Jom Kippur und Sukkot sowieso keine Feiertagsruhe ein. Im Gegenteil – die Kita ist geschlossen, und die lieben Kleinen tanzen einem auf der Nase herum. Da verlegt man die innere Einkehr doch lieber gleich an die Ostsee.
Außerdem, und darauf freue ich mich am meisten, habe ich jetzt eine Weile Ruhe vor meinen Freundinnen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich liebe sie alle – aber zur Zeit kennen sie nur ein einziges Thema: Wann endlich kommt das ersehnte Kind? Es gibt nichts Stressigeres als Frauen, die unbedingt schwanger werden wollen – vor allem, wenn sie auf die 40 zugehen. Beinahe hätten mich meine Freundinnen mit ihrer Unruhe schon angesteckt. Glücklicherweise habe ich schon einen kleinen Sohn.
Befruchtungsstress Schön war das, als wir uns noch im Café trafen und über Gott und die Welt tratschten. Inzwischen hängt die eine Freundin nur noch am Internet – und googelt morgens, mittags und abends die Worte »Frau«, »Schwangerschaft«, »Chance« und »40«. Hinterher erzählt sie von den Statistiken, die ich inzwischen auswendig kenne – und die sich alle gegenseitig widersprechen. Die andere Freundin hat eine künstliche Befruchtung begonnen, die ihre ganze Zeit in Anspruch nimmt – fast jeden Tag muss sie zum Ultraschall. Hinterher redet sie ohne Pause über die Größe ihrer Eibläschen, was uns allen schon zum Hals heraushängt. Eine dritte Freundin hat sich mit der zweiten verkracht und wirft ihr vor, dem betroffenen Mann jede Lust am Sex zu rauben. Außerdem behauptet sie, die Behandlung sei zwecklos, weil sich der Befruchtungsstress angeblich negativ auf die Spermienqualität auswirkt. Ich habe versucht, zwischen den beiden Frauen zu vermitteln, aber es war sinnlos. Das Einzige, was diese Freundschaft retten wird, ist eine Schwangerschaft.
Am schärfsten aber finde ich meine (unter anderen Umständen relativ vernünftige) vierte Freundin, die neulich Zinktabletten zerkleinert und ihrem Mann ins Müsli gemischt hat, um seine Zeugungskraft zu steigern. Ein paar Tage war sie glücklich über ihren Schachzug – bis unsere Internet-Expertin sie darüber aufgeklärt hat, dass der gleichzeitige Verzehr von Müsli und Zink nichts bringt. Denn Getreide erzeugt bei der Verdauung Phytin, das im Darm die Zinkaufnahme hemmt.
Außerdem sollen die meisten Zinktabletten auf dem Markt laut Stiftung Warentest zu niedrig dosiert sein – weil Deutschland kein Zinkmangelgebiet sei. Das Fazit: Reine Abzo-cke, »alles nur gezinkt«. Nun ist auch die vierte Freundin beleidigt – und ich bin nicht unglücklich, einige Wochen nichts vom Zeugungsstress zu hören. Möge Gott uns allen noch ein Kind schenken! Und wenn nicht – dann können wir auch damit leben!