Finale

Ayalas Welt

Als Kind war ich fest davon überzeugt, ich sähe den »Ur-Juden« ähnlich. Mein dunkles Haar und meine lange Nase, redete ich damals meiner kleinen Schwester ein, seien eine Reminiszenz an die Kinder Israels, während ihr blondes Haar und ihre Stupsnase auf germanischen Einfluss zurückgingen. Selbstverständlich war das Blödsinn – ich bin blass und blauäugig wie der heruntergekommene polnische Landadel, der seine Spuren in der DNA unserer Familie hinterlassen hat. Doch als Zehnjährige war ich – im Gegensatz zu meiner Schwester, die mir meine frühen Gen-Thesen bis heute vorwirft – von der Vorstellung begeistert. Ins Zweifeln kam ich erst, als ich im Alter von 20 meinen ersten Ulpan in Jerusalem besuchte. Die gut aussehenden israelischen Frauen irakischer oder jemenitischer Herkunft, die ich im Bus oder auf dem Campus traf, kamen meinem Bild von den »Ur-Juden« viel näher als ich aschkenasisches Bleichgesicht.

erbmaterial Doch nun haben Wissenschaftler herausgefunden, dass aschkenasische und orientalische Juden genetisches Erbmaterial teilen, das sich auf ihre Ursprünge im Nahen Osten zurückführen lässt. Wie genial oder unterbelichtet die jeweiligen Bevölkerungsgruppen sind, lässt sich anhand der Untersuchungen glücklicherweise nicht klären. Mit dem Thema hätte ich mich vermutlich nie beschäftigt, hätte nicht ein gewisser Thilo Sarrazin behauptet, alle Juden teilten ein gemeinsames Gen. Dafür ist er rundum gegeißelt worden; sogar der Eintritt in die NPD wurde ihm nahegelegt. In Israel dagegen hat sich, pardon, kein Schwein darüber aufgeregt. Der dortige Innenminister Eli Jischai glaubt ebenfalls an ein »jüdisches Gen«. Auch Konvertiten besäßen es, erklärte der Schas-Mann vor einiger Zeit in einem Interview der Jerusalem Post – aber nur, wenn sie bei einem orthodoxen Rabbi übergetreten seien.

So was regt mich mehr auf als das, was Thilo Sarrazin schreibt. Sein Buch Deutschland schafft sich ab habe ich sowieso noch nicht gelesen – wie alle, die darüber reden. Ich frage mich allerdings, warum Juden es bedauern sollten, wenn Deutschland sich abschafft? Was ich bedauern würde, wäre der Ausschluss eines der letzten Philosemiten aus der SPD. Denn wie ich Sarrazins Interviews entnahm, kann der geschasste Bundesanker Juden außerordentlich gut leiden – aber die wollen das mal wieder nicht verstehen.

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 20. Februar bis zum 27. Februar

 21.02.2025

Berlinale

»Das verdient kein öffentliches Geld«

Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner hat seine Karte für die Abschlussgala zerrissen – und will die Förderung für das Filmfestival streichen

von Ayala Goldmann  21.02.2025

Bayern

NS-Raubkunst: Zentralrat fordert schnelle Aufklärung

Der Zentralrat der Juden verlangt von den Verantwortlichen im Freistaat, die in der »Süddeutschen Zeitung« erhobenen Vorwürfe schnell zu klären

 20.02.2025

Kolumne

Unentschlossen vor der Wahl? Sie sind in guter Gesellschaft – mit Maimonides

Der jüdische Weise befasste sich mit der Frage: Sollten wir als Kopfmenschen mit all unserem Wissen auch bei Lebensentscheidendem dem Instinkt vertrauen?

von Maria Ossowski  20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

NS-Unrecht

Jüdische Erben: »Bayern hat uns betrogen« - Claims Conference spricht von »Vertrauensbruch«

Laut »Süddeutscher Zeitung« ist der Freistaat im Besitz von 200 eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Kunstwerken, hat dies der Öffentlichkeit aber jahrelang verheimlicht

von Michael Thaidigsmann  20.02.2025

Literatur

»Die Mazze-Packung kreiste wie ein Joint«

Jakob Heins neuer Roman handelt von einer berauschenden Idee in der DDR. Ein Gespräch über Cannabis, schreibende Ärzte und jüdischen Schinken

von Katrin Richter  20.02.2025

Berlinale

Auseinandergerissen

Sternstunde des Kinos: Eine Doku widmet sich David Cunio, der am 7. Oktober 2023 nach Gaza entführt wurde, und seinem Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf ihn wartet

von Ayala Goldmann, Katrin Richter  19.02.2025

Berlin

»Sind enttäuscht« - Berlinale äußert sich zu Antisemitismus-Skandal

»Beiträge, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, überschreiten in Deutschland und auf der Berlinale eine rote Linie«, heißt es in einer Erklärung des Festivals

von Imanuel Marcus  19.02.2025