Finale

Ayalas Welt

»Es gibt Wichtigeres als Fußball – aber nicht jetzt!« Unter diesem Motto wirbt ein Berliner Radiosender für seine WM-Berichterstattung. Ganz anders sehen das, selbstredend, die Kollegen der ultraorthodoxen Presse in Israel. Die Weltmeisterschaft in Südafrika sei schlicht und ergreifend »Zeitverschwendung«, meint Rabbi Mosche Grylak, Herausgeber der haredischen Zeitschrift Mischpacha in Jerusalem. Schließlich soll der Mensch, allen voran der jüdische, sich mit den wesentlichen Dingen des Lebens befassen und nicht mit der oberflächlichen Freude an irgendeinem eitlen Fatzke, der gerade ein Tor geschossen hat. Zumal, und da hat der Rabbi nicht ganz unrecht, diese Freude oft Schadenfreude auf Kosten der Verlierer sei, keine »innerliche« Freude. (Der »innere Reichsparteitag« ist dem Rabbi kein Begriff.)

Auch der ultraorthodoxe israelische Radiosender Kol Chai, zu Deutsch »Lebendige Stimme« überträgt kein einziges Spiel. »Ein Thema für uns wäre nur, wenn die israelische Nationalmannschaft am Schabbat spielen würde«, sagte ein Nachrichtenredakteur des Senders. Auch vom Finale will Kol Chai nicht berichten. Falls allerdings ein jüdischer Fußballer beim Endspiel das Schma Israel sprechen sollte, wäre sein Gebet dem Sender eine Erwähnung durchaus wert

rigoros Irgendwie erinnert mich diese Rigorosität an meine Jugend. Damals war Fußball, zumindest in den Politkreisen, in denen ich verkehrte, verpönt. Die Begründungen (»oberflächliche Freude«, »Goldenes Kalb«, »eitler Kult um Tore«) waren denen der Haredim so unähnlich nicht. Vor allem ziemte es sich nicht, sich über einen Sieg der westdeutschen Mannschaft (»BRD«) zu freuen. Man drückte den Gegnern der Deutschen die Daumen. Die erste WM, bei der ich mitgefiebert habe, war 2006. Auf einmal war Schwarz-Rot-Gold okay, und man freute sich an den Toren von Klose und Podolski. Bei manchem »Anti-Deutschen« setzte sich sogar die Erkenntnis durch, dass Fußball tatsächlich Völker verbindet.

Auch Rabbi Grylak räumt ein, dass Fußballspielen allemal besser sei als »das Feuer zu eröffnen«. Womit wir in Somalia wären. Dort wurden zwei WM-Fans von der islamistischen Miliz Hizbul Islam erschossen, als sie das Spiel Deutschland gegen Australien im TV anschauten – kurz nach Podolskis erstem Tor. Ein
Islamistensprecher warnte alle Jugendlichen davor, Fußball zu schauen – es sei »Zeitverschwendung, verrückten Männern beim Auf- und Abspringen zuzusehen«. Daran gemessen ist ein WM-Boykott im haredischen Radio nun wirklich eine harmlose Angelegenheit.

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 9. bis zum 18. Januar

 09.01.2025

Film

Wie naiv war ich?

Die Schauspielerin Adriana Altaras ist für eine Rolle nach Jordanien geflogen. Sie spielte eine Jüdin, die zusammen mit einem Palästinenser in Ramallah lebt. Bericht von einem verstörenden Dreh

von Adriana Altaras  09.01.2025

Sehen!

»Shikun«

In Amos Gitais neuem Film bebt der geschichtsträchtige Beton zwischen gestern und heute

von Jens Balkenborg  09.01.2025

Zahl der Woche

14 Monate

Fun Facts und Wissenswertes

 08.01.2025

Sehen!

»September 5«

Ein spannender und vielschichtiger Journalisten-Thriller über das Münchner Olympia-Attentat

von Jens Balkenborg  08.01.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Kinderwagenkarawane im Treppenhaus oder Relaxen im Ohrensessel

von Margalit Edelstein  08.01.2025

Nachruf

Ein Drittel von Peter, Paul and Mary

Peter Yarrow war auch Aktivist für Bürgerrechte und gegen den Vietnam-Krieg. Er wurde 86 Jahre alt

von Imanuel Marcus  08.01.2025

München

NS-Dokuzentrum und Literaturhaus verschieben Veranstaltung

Nach Kritik des Zentralrats: Iris Berben liest nicht am Holocaust-Gedenktag aus einem Werk der Autorin Chaja Polak über Israel und Gaza

 09.01.2025 Aktualisiert

Kontroverse um Elon Musk

Bericht: Zweiter »Welt«-Redakteur kündigt wegen Gastbeitrag

Der Axel-Springer-Konzern verliert offenbar einen weiteren renommierten Journalisten

 07.01.2025