»Die Neigung des jüdischen Menschen, oft ein wenig zu übertreiben, zeigt sich zuweilen in der Bindung an Tiere. Wer jüdisch und tierlieb ist, ist es ziemlich konsequent«, schreibt die Website tierimjudentum.de. Ich fürchte, auf mich trifft das nicht wirklich zu – obwohl ich einmal versucht habe, eine israelische Straßenkatze zu retten. Es endete damit, dass meine Nachbarin den Tierschutzverein einschalten wollte.
Die Mieze – ich hoffe, sie lebt noch – war ein Mischling aus Siam und einer zutiefst semitischen Katzenrasse, ein wildes Vieh mit wunderbaren blauen Augen. Ich nannte sie Malka (Königin) – denn in Tel Aviv wäre sie heute die Königin der Straßenkatzen und würde den prächtigsten aller Müllcontainer bewohnen. Stattdessen ist sie als christliche Hauskatze in Deutschland geendet.
Ich war damals zum Urlaub in Israel. Ein Freund aus Tel Aviv erzählte mir, er habe ein Katzenkind aus dem Schnabel eines Raben gerettet. Aber wie das mit Tierfreunden manchmal so ist: Danach hatte er keine Zeit mehr für sein Mündel. »Kein Problem«, sagte ich, »ich nehme sie.« Eine Freundin bastelte einen Katzenkorb, ich ließ das Tier impfen. Auf dem Flug quäkte Malka jämmerlich und übergab sich, doch ansonsten schien sie den Kulturschock gut zu verkraften. Und ich freute mich, meinen neuen Redakteursjob in einer fremden Stadt nicht ganz alleine antreten zu müssen.
kratzbürstig Aber die Freude währte nicht lange. Ich konnte Malka nicht mit ins Büro nehmen – zwar war sie stubenrein, hatte aber Pilze. So blieb das Kätzchen den ganzen Tag allein. Das tat ihm nicht gut. Malka, die in Israel noch völlig friedlich gewesen war, maunzte den ganzen Tag jämmerlich, randalierte und biss mich vor Wut in den Fuß, sobald ich nur die Wohnungstür aufschloss. Dabei gab ich Malka nach Feierabend alle Zuwendung der Welt. Ich hätte sie sogar in meinem Bett schlafen lassen. Doch leider war sie nicht kuschelig, sondern kratzte mich, sobald ich in ihre Nähe kam. Tagelang war ich damit beschäftigt, die tobende kleine Katze zu bändigen, die für ein einsames Leben in einer deutschen Mietwohnung nicht geschaffen war. Eines Abends klingelte es. Es war die Nachbarin unter mir, Zeugin Jehovas und ebenfalls Katzenbesitzerin. Ihre Stimme bebte vor Zorn. »Das ganze Haus hört Ihre Katze schreien. Entweder, Sie geben mir die Katze oder Sie bekommen es mit dem Tierschutzverein zu tun.«
Ich überlegte: Hatte ich Malka aus Israel geholt, damit sie nun den »Wachtturm« las? Andererseits: Würde sie sich in Gesellschaft von Artgenossen nicht besser fühlen? Ich rang mich durch und schenkte die Siam-Mischung der frommen Nachbarin. Wochen später durfte ich Malka auf dem Balkon unter mir besuchen: Sie schnurrte – dick, rund und träge geworden. Offensichtlich war sie glücklich. Wer weiß, vielleicht gehe ich am Ende doch noch als Tierfreundin durch?