Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen, lautet ein lateinisches Sprichwort. Wohl wahr: Noch vor wenigen Monaten hätte ich jeden für verrückt erklärt, der mir prophezeit hätte, ich würde mich bald freiwillig auf der Website www.kippashop.com nach einem Schabbesdeckel für Babys umschauen. Doch in diesem Jahr kommt mein Sohn in eine jüdische Kita, und für Mittagessen und Schabbatfeier braucht der Kleine dort eine Kippa. Meine Mutter fragte, als sie davon hörte, alarmiert: »Wird mein Enkel jetzt religiös indoktriniert?« Ich konnte sie beruhigen. Erstens handelt es sich um eine Kita für alle Sorten von Juden, einschließlich Ketzer wie mich; außerdem behält der Kleine die Kippa ohnehin nur ein paar Minuten auf dem Kopf.
Wildleder Aber was das für ein Entscheidungsprozess war, die passende religiöse Kopfbedeckung für ein 14 Monate altes Kleinkind zu finden! Auf www.kippashop.com gab es zwar viele interessante Angebote, wie zum Beispiel »Kippot aus echtem Wildleder. Macht jeden Mann wild und begehrenswert, denk an den Marlboro Man.« Aber das wollte ich nicht: Mein Söhnchen soll Nichtraucher bleiben!
Es gab auch jede Menge gestrickte Kippot. Doch die kann ich nicht leiden. Ich halte sie für die uncoolste Kopfbedeckung, die Juden je erfunden haben. Sie sehen aus wie runde Topflappen. Außerdem sind sie zu siedlermäßig. Mein Sohn als »Doss«? Kommt nicht infrage. Auf der Website wird auch offen ein weiteres Manko eingeräumt: »Ein Klassiker, dient leider nicht als Schutzschild gegen Außerirdische.«
Bengel Eine Satin-Kippa (»Sieht gut aus und verdeckt die Glatze«) fand ich auch nicht nötig für den Kleinen. Er hat inzwischen reichlich Haarwuchs. Auch nicht infrage kam die »Kippa Tzahal hell im Armee-Look mit Tarnmuster, Stickerei in Gold ›Tzahal, Israel Army‹«. Und die einzige eigens für Babys gedachte Kippa auf der Website (»Für unsere kleinen süßen, von der jiddischen Mama verwöhnten Bengel«), sah irgendwie zu klein aus.
»Gehen Sie in die Literaturhandlung in der Joachimstaler Straße, dort finden Sie Kippot für Kinder«, wurde mir geraten. Ich folgte der Empfehlung. Aber auch dort tat ich mich schwer. Die Kippot mit dem lustigen Würfelmuster waren zu groß. Eine schwarze Leder-Kippa passte eher für Jom Haschoah und Jom Hasikaron, wirkte außerdem zu haredisch, auch wenn sie nicht aus schwarzem Samt war.
Entschieden habe ich mich schließlich für die bucharische Lösung – eine bunte Kippa im Stil der Juden aus Usbekistan, die meinem Sohn zwar viel zu groß ist, aber fröhlich aussieht und keine politischen oder religiösen Assoziationen weckt. Jetzt habe ich nur noch eine Sorge. Hoffentlich wird der Junge nicht eine Tzahal-Kippa wählen, wenn er 18 geworden ist … Zum Glück ist bis dahin noch ein bisschen Zeit!