Berlin

»Autor, Friedensaktivist, Ikone«

Amos Oz (1939 - 2018) Foto: picture alliance/AP Photo

Man wüsste gerne, was Amos Oz den Menschen nach dem 7. Oktober gesagt hätte. Einiges kann man sich ausmalen, denn er stand politisch links und war in der israelischen Friedensbewegung aktiv. Vor fast sechs Jahren, am 28. Dezember 2018, starb er. Er war einer der prägendsten israelischen Schriftsteller und wurde immer wieder für den Literaturnobelpreis ins Spiel gebracht.

An diesem Montag veröffentlicht der zu Suhrkamp gehörende Jüdische Verlag die erste Biografie über »Amos Oz - Autor, Friedensaktivist, Ikone«, so der Titel, geschrieben von dem US-Literaturwissenschaftler Robert Alter. Er macht gleich zu Beginn klar, dass er das Buch auch als Freund von Oz geschrieben habe. Alter ist vier Jahre älter als Oz, der am 4. Mai 1939 geboren wurde.

Jerusalem vor der Staatsgründung

Zugleich betont Alter, um Distanz bemüht zu sein: »Angesichts unserer persönlichen Verbindung fühlte ich mich an einigen Punkten beim Schreiben veranlasst, ein gewisses Maß an Diskretion zu wahren. Dennoch habe ich so offen über Amos’ Leben gesprochen, dass ein oder zwei Bemerkungen oder Bewertungen für die Familie Oz unangenehm sein könnten.«

Mit Blick auf Oz’ politisches Engagement stellt Alter ihn als einen öffentlichen Intellektuellen vor, der sich »für eine friedvolle Aussöhnung mit den Palästinensern« eingesetzt habe und ein Verfechter der Zwei-Staaten-Lösung gewesen sei. Er verweist auf einen Vortrag, in dem Oz gesagt habe: »Du musst mit einem Feind Frieden schließen.« Nicht, weil man den Feind liebe, sondern weil es die einzige Möglichkeit sei, Frieden zu erreichen. Wegen seiner Haltung sei Oz von »Extremisten bei den Rechten wie bei den Linken« verunglimpft worden.

Breiten Raum in der Biografie nimmt das Buch »Eine Geschichte von Liebe und Finsternis« ein, das laut Alter in etwa 45 Sprachen übersetzt wurde. Es ist Oz’ Geschichte und die seiner Familie in Jerusalem. Die Stadt hat der Schriftsteller als Kind vor der Staatsgründung 1948 erlebt.

Lesen Sie auch

Suizid der Mutter

Oz schreibt darin auch über den Suizid seiner Mutter, als er zwölf Jahre alt war. Etwas, über das der Schriftsteller sehr lange geschwiegen hatte und das ihn bis an sein Lebensende verfolgte, wie Alter darlegt. Geprägt hat der Suizid Alter zufolge nicht nur Oz‹ Leben, sondern auch seine schriftstellerische Arbeit. Bis zuletzt habe ihn ein tiefer Schmerz angesichts des plötzlichen Verlassenwerdens durch die Mutter verfolgt, so habe Oz es empfunden.

Alters Buch widmet sich Oz‹ Herkunft aus der Gelehrtenfamilie Klausner, dem beengten Leben seiner Kindheit in Jerusalem, seinem Umzug in den Kibbuz Hulda allein als Vierzehnjähriger, dem Schreiben als anerkannter Autor, der bis zu einem Wohnortwechsel sein Einkommen dem Kibbuz zur Verfügung stellte, der Änderung des Familiennamens von Klausner in Oz (»Stärke«), dem Militär, der Wüste, Sexualität, dem Gründen einer Familie mit seiner Ehefrau Nily.

Damit verbunden, geht es auch um die nach Oz’ Tod geäußerten Vorwürfe seiner Tochter Galia, ihr Vater habe sie misshandelt und gedemütigt - die Explosion einer »familiären Bombe«, die die öffentliche Meinung in Israel erschüttert und seine Familie tief getroffen habe, so Alter. Er erörtert verschiedene Perspektiven auf die Anschuldigungen, die Oz’ Familie demnach größtenteils zurückwies, und schreibt von einer »verstörenden Angelegenheit«, die von außen letztlich nicht geklärt werden könne.

Biograf und Freund

Alters Biografie ist fesselnd, was auch mit seiner Doppelrolle als Biograf und Freund zu tun hat; mitunter etwas weitschweifend in der Betrachtung des Suizids der Mutter oder beim Thema Sexualität. Alters Fazit zu Amos Oz lautet, dass er eine vielschichtige Persönlichkeit gewesen sei.

»In mancher Hinsicht entsprach er nicht der Person, für die man ihn hielt.« Oz habe ein Werk hinterlassen, »mit dem sich eine breite Leserschaft intensiv auseinandergesetzt hat, zunächst in seinem eigenen Land und dann auch auf der ganzen Welt«.

Europa

Spanien stellt Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ESC infrage

Beim Eurovision Song Contest soll es eigentlich um Musik gehen. Doch die Politik spielt immer öfter mit hinein. Aktuell droht eine neue Debatte um Israel. Grund ist der Krieg im Gazastreifen

 14.04.2025

Geistesgeschichte

»Wirklicher Liberalismus«

Die Biografie des Politikwissenschaftlers Adolf Grabowsky zeigt exemplarisch, warum Konservatismus und Fortschritt keine Gegensätze sein müssen

von Matthias Oppermann  14.04.2025

Interview

Günther Jauch: Hans Rosenthal war ein Idol meiner Kindheit

Der TV-Moderator über den legendären jüdischen Showmaster und seinen eigenen Auftritt bei »Dalli Dalli« vor 42 Jahren

von Michael Thaidigsmann  11.04.2025

UNESCO

Talmud-Handschrift zu Weltdokument ernannt

Das Weltdokumentenerbe vereint Buchbestände, Handschriften, Partituren, Bild-, Ton- und Filmaufnahmen von außergewöhnlichem Wert für die Menschheitsgeschichte

 11.04.2025

10. Todestag

Zwischen Erinnerung und Engagement: Günter Grass heute

Literarisch brachte er es zu höchsten Ehren, politisch war er ein kritischer Wegbegleiter der Bundesrepublik, aber auch ein gescheiterter Moralist. Ein Zeitzeuge erinnert sich an Günter Grass als verlässlichen Freund

von Klaus Blume  11.04.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  11.04.2025

Deichbrand-Festival

Macklemore-Auftritt: Kulturwissenschaftlerin rät von Konzertabsage ab

Sie empfiehlt den Festival-Veranstaltern, das Konzert mit Diskussions- und Informationsveranstaltungen zu begleiten

 11.04.2025

Kulturkolumne

Freiheit schmeckt nach mehr als Mazzeknödel

Das Menü soll weniger aschkenasisch aussehen: Warum es bei meinem Sederabend auch Mina de Espinaca gibt

von Laura Cazés  11.04.2025

Glosse

Der Rest der Welt

Omas Makronen oder Wie schmeckt Erinnerung?

von Nicole Dreyfus  11.04.2025