Nur drei Tage fehlten dem 68-jährigen Immunologen Ralph Steinman, um die höchste Ehre seiner langen Forscherkarriere zu erleben. Er starb am vergangenen Freitag an den Folgen einer Krebserkrankung. Rund 72 Stunden später krönte Stockholm seine Arbeit mit der Zuerkennung des Nobelpreises. Der Forscher sollte den Preis – gemeinsam mit den Immunologen Bruce Beutler und Jules Hoffmann – für wegweisende Arbeiten zum Immunsystem erhalten, die zu Impfstoffen und Krebstherapien führten.
Therapie Eine Sprecherin der Rockefeller-Universität bestätigte, dass bei Steinman vor etwa vier Jahren Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostiziert worden war. Mit einer selbstentwickelten Immuntherapie, die auf den von ihm entdeckten dendritischen Zellen basiert, »konnte er sein Leben um Jahre verlängern«, sagte die Sprecherin. Und schon das allein sei sehr ungewöhnlich, meint die deutsche Forscherin Katharina Brandl, die mit Steinman zusammengearbeitet hatte. »Die meisten Patienten sterben innerhalb eines Jahres, und er hat es zumindest geschafft, mit seiner Immuntherapie sein Leben um vier Jahre zu verlängern, was bei Bauspeicheldrüsenkrebs schon enorm ist«, sagte Brandl im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Ralph Steinman wurde 1943 im kanadischen Montreal als Sohn von Irving und Nettie Steinman geboren. Vater Irving war der Inhaber eines kleinen Bekleidungsgeschäfts namens »Mozart’s«. Nach seinem Highschool-Abschluss lebte Steinman bei seinen Großeltern Nathan und Eva Takefman, jüdischen Einwanderern aus Litauen.
Bereits 1973 entdeckte Steinman die dendritischen Zellen. Diese präsentieren den T-Immunzellen Bruchstücke der Eindringlinge, sodass sie die Keime erkennen und spezifisch bekämpfen können. Danach behält das Immunsystem die Bruchstücke im Gedächtnis, sodass es beim nächsten Angriff schneller reagieren kann – auf diese Weise erwirbt der Körper im Laufe des Lebens ein Immunsystem mit spezifischen Waffen.
Marc Tessier-Lavigne, der Präsident der Rockefeller-Universität, an der Steinman bis zu seinem Tod im Alter von 68 Jahren gearbeitet hatte, begrüßte die Ehrung des Zellbiologen für seine »bahnbrechenden Entdeckungen zu den Abwehrreaktionen des Körpers«. Allerdings sei die Nachricht »bittersüß«, sagte Tessier-Lavigne. Auch die Universität habe erst an diesem Morgen von Ralphs Familie erfahren, dass er gestorben sei.
Durchhalten Steinmans Tochter Alexis wurde von der Universität mit den Worten zitiert: »Wir sind alle so berührt, dass die vieljährige harte Arbeit meines Vaters für den Nobelpreis ausgewählt wurde. Er wäre zutiefst geehrt.« In der vergangenen Woche habe Steinman noch mit seiner Familie gescherzt: »Ich muss bis Montag durchhalten, wenn die Gewinner des Nobelpreises verkündet werden. Sie geben ihn dir nämlich nicht, wenn du vorher stirbst«, so Alexis Steinman.
Den Statuten der Nobelstiftung zufolge darf die Auszeichnung tatsächlich nicht postum zuerkannt werden. Nach stundenlangem Ringen erklärte die Stiftung am Montagabend jedoch, das Verbot der postumen Auszeichnung beziehe sich nur auf eine bewusst in diesem Sinne getroffene Wahl. Die Juroren wussten jedoch nichts von Steinmans Tod, als sie ihm den Nobelpreis zuerkannten. Sein anteiliges Preisgeld von umgerechnet 550.000 Euro erhalten nun seine Angehörigen.
Physik Ein weiterer Nobelpreis wurde an den Physiker Saul Perlmutter verliehen. Der Amerikaner, der zusammen mit den Wissenschaftlern Brian P. Schmidt und Adam Riess die Auszeichnung im Bereich Physik erhalten hat, wird für die Entdeckung der beschleunigten Expansion des Universums durch die Beobachtung ferner Supernovae geehrt. Ein Portrait über Saul Perlmutter finden Sie unter:
prelive.juedische-allgemeine.de/article/view/id/4172
Chemie Der 70-jährige Chemiker Dan Shechtman erhält in diesem Jahr den Nobelpreis in Chemie. Der Israeli wird für die Entdeckung von sogenannten Quasikristallen ausgezeichnet.
Während der Pressekonferenz, die Shechtman am Mittwochnachmittag am Technion in Haifa gab, sagte er: »Dies ist ein besonderer Tag nicht nur für mich persönlich, sondern auch für die Wissenschaft«. Er fügt hinzu: »Ich habe über die Jahre gelernt, dass ein guter Wissenschaftler bescheiden sein sollte und zuhören muss, und sich nie 100 Prozent sicher sein sollte.«
Der Präsident des Technion Haifa, Perez Lavie sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Ich bin sehr stolz – nicht nur für das Technion, sondern auch für Israel. Für unsere Einrichtung ist es der dritte Nobelpreis in zehn Jahren.« Für Dan Shechtman sei es ein großer Erfolg, denn er habe sein Ziel kontinuierlich über die Jahre hinweg verfolgt.
Was Dan Shechtman an einem Aprilmorgen im Jahr 1982 entdeckt hat, bringt ihm zwar 30 Jahre später die begehrte Auszeichnung der schwedischen Akademie ein. Dennoch war der Anfang nicht einfach: Denn dass die Struktur des Kristalls nicht periodisch ist, erschütterte zwei Jahrhunderte wissenschaftlicher Erkenntnis. Der Israeli brauchte mehrere Jahre, um seine Kollegen von seiner Entdeckung zu überzeugen.