Der neugewählte Präsident der Deutsch Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, hat sich kurz vor der am Samstag in Kassel beginnenden Kunstausstellung »documenta fifteen« schriftlich an seine Parteifreundin, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, gewandt.
Dabei verweist der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Beck darauf, dass in der Ausstellung »mehrere Unterstützer der BDS-Bewegung, die in Wirkung und Ausdruck antisemitisch ist, mitwirken«. Er fordert Roth zum energischen Handeln auf und »unmittelbar tätig zu werden, ohne weiteres Zögern«.
UNTÄTIGKEIT Wörtlich heißt es in dem Schreiben: »Außer Interviews ist bisher nach unserer Wahrnehmung von Seiten der kulturpolitisch Verantwortlichen nichts passiert.« Seiner Auffassung nach sei bislang zu wenig von den verantwortlichen Kulturpolitikern unternommen worden, so Beck im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen.
2019 ächtete der Bundestag BDS als israelfeindliche und in Handlungen sowie Zielen als antisemitisch.
Politische Verantwortung für Kultur erfordere mehr als abstrakte Bekenntnisse. »Niemand verlangt, dass Sie hierfür als Kulturpolizistin den Daumen heben oder senken. Aber auch aus Ihrer eigenen Koalition wurden Sie zu Recht zum Handeln aufgefordert«, so Beck.
Weiterhin heißt es in dem Schreiben: »Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist solidarisch mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und jüdischen Stimmen aus Kassel, die trotz zahlreicher Gesprächs- und Unterstützungsangebote bis heute ungehört bleiben.« Diese seien trotz zahlreicher Gesprächs- und Unterstützungsangebote bis heute ungehört geblieben. »Man darf hier nicht tatenlos zusehen«, erklärte Beck.
BOYKOTT Die 15. Ausgabe der documenta wird von Antisemitismus-Vorwürfen überlagert. Die meisten Schlagzeilen machte bislang der Skandal um den nicht hinreichend entkräfteten Vorwurf der Nähe einiger Teilnehmer sowie des kuratorisch verantwortlichen indonesischen Künstlerkollektivs »ruangrupa« zur antisemitischen Israel-Boykottbewegung BDS.
»Man darf bei Antisemitismus nicht tatenlos zusehen.«
DIG-Präsident Volker Beck
Kulturstaatsministerin Claudia Roth nimmt das Künstlerkollektiv Ruangrupa vor Vorwürfen des Antisemitismus in Schutz. »Die Herkunft aus einem bestimmten Land sollte nicht vorab zu Verdächtigungen führen, möglicherweise antisemitisch zu sein«, sagte die Grünen-Politikerin diese Woche in Berlin mit Blick auf die documenta.
Indonesien sei eines der Länder, die keine diplomatischen Beziehungen zu Israel haben. »Das kann ich schlecht finden. Aber es kann nicht heißen, dass ein Künstler oder Kollektiv aus Indonesien deshalb per se verdächtig ist.«
KUNSTFREIHEIT FÜR ISRAELHASS? Der bestehende und wachsende Antisemitismus dürfe keinen Platz haben, betonte Roth, »vor allem nicht bei uns«. Die Sorge auch des Zentralrates der Juden in Deutschland nehme sie sehr ernst. Gleichzeitig verwies sie auf den Wert von Kunstfreiheit. »Es geht darum, dass man auf der einen Seite sehr klar ist, was Antisemitismus angeht, dass man auf der anderen Seite aber auch ernst nimmt, wie wichtig Kunstfreiheit in einer Demokratie ist.«
Dass bereits im Vorfeld von seiten der documenta entschieden wurde, keine israelischen Künstler zur Kunstmesse einzuladen, darauf geht Roth nicht ein.
»In der Demokratie kann man sich streiten, aber man muss sich kennenlernen, muss offen sein füreinander, muss bestimmte Perspektiven von beiden Seiten verstehen und gleichzeitig wissen, wo dabei klare Grenzen sind. Antisemitismus und jede Form von Menschenfeindlichkeit sind dabei die klare Grenze«, sagte Roth. »Wenn es zu Antisemitismus kommen sollte, dann wird natürlich auch zu agieren sein.«
Dass bereits im Vorfeld von seiten der documenta entschieden wurde, keine israelischen Künstler zur Kunstmesse einzuladen, darauf ging Roth nicht ein. Interviewanfragen dieser Zeitung werden seit Monaten vom Büro der Kulturstaatsministerin mit Verweis auf den engen Zeitplan der Ministerin negativ beantwortet.
RÜCKBLICK Der Bundestag hatte im Mai 2019 einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel »BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen« angenommen. Damit ächtete der Bundestag den BDS als israelfeindliche und in Handlungen sowie Zielen als antisemitisch.
Mit der Annahme des Antrags begrüßte der Bundestag, dass zahlreiche Gemeinden bereits beschlossen hatten, der BDS-Bewegung oder Gruppierungen, die die Ziele der Kampagne verfolgen, die finanzielle Unterstützung und die Vergabe von kommunalen Räumen zu verweigern.
Für diese Resolution wollte Claudia Roth seinerzeit nicht stimmen. Kritik an Auftreten und Zielen der BDS-Bewegung sei durchaus berechtigt, ihre pauschale Einstufung als »antisemitisch« aber falsch, argumentierte sie. ja