Sie schwärmten für den »Führer«. Ihre Begeisterung kannte kaum Grenzen, wenn sie in seine Nähe kamen und er zu ihnen sprach. Es waren nicht nur die ältlichen Damen, die hinter den Verkrampftheiten und Komplexen in der Anfangszeit des jungen Redners die Suche nach Geborgenheit witterten. Später waren es vor allem junge, energische Frauen, die ihr Leben der »Bewegung« verschrieben und in die Partei Hitlers drängten, es ihren Männern gleichtun wollten.
Dabei hatte ihr Idol schon frühzeitig die Grenzen seiner Toleranz für das andere Geschlecht abgesteckt, als er sich im privaten Kreis äußerte: »Ein Frauenzimmer, das sich in politische Sachen einmischt, ist mir ein Gräuel« Und: »Wenn eine Frau in den Fragen des Daseins zu denken beginnt, das ist schlimm. Da können sie einem auf die Nerven gehen.«
Aufsätze Nun aber hat die Historikern Katja Kosubek einen nahezu sensationellen Fund gemacht, der erstmals authentisch die Motivation und Vorgehensweise jener Frauen sichtbar macht, die in der Frühzeit ihre politische Zukunft in der NSDAP suchten. Es handelt sich um die Texte eines Aufsatzwettbewerbs zum Thema »Warum ich vor 1933 in die NSDAP eingetreten bin«, die 80 Jahre lang unbeachtet in der Abel Collection im Archiv der amerikanischen Stanford University lagerten – 683 Schreiben begeisterter Nationalsozialisten, darunter 36 von Frauen.
Den Aufsatzwettbewerb hatte der amerikanische Soziologe und polnische Emigrant Theodore Abel 1934 – mit der Erlaubnis von Propagandaminister Goebbels – initiiert, um Daten und Fakten über die Beweggründe der Deutschen zu sammeln, die Hitler folgten.
Abel hat daraus ein Buch gemacht, Why Hitler Came into Power, eine Studie, die 1938 erschien, über die Wirren der politischen Entwicklung aber in Vergessenheit geriet. Jetzt hat Katja Kosubek diese autobiografischen Essays aus der Frühzeit des Nationalsozialismus als Quellenedition mit dem Titel »Genauso konsequent sozialistisch wie national«. Alte Kämpferinnen der NSDAP vor 1933 erstmals in ihrer Dissertation publiziert. Es ging ihr dabei nicht nur um die Motive dieser Frauen, die in der Männerpartei Hitlers zahlenmäßig zwar kaum ins Gewicht fielen, aber als eigenständige Persönlichkeiten unbefangen ihre Faszination von der Idee der »Volksgemeinschaft« skizzieren.
Begeisterung »Alte Kämpferinnen« durften sie sich nennen, weil sie der NSDAP schon vor 1928 beigetreten waren. Es sind durchweg keine Beichten. Die Autorinnen wussten zum Zeitpunkt der Niederschrift nicht, wie sich Hitler und seine Partei entwickeln würden.
Aber an der Begeisterung für die NS-Ideologie bestand kein Zweifel. Kosubek: »Offenbar hat die NS-Bewegung etwas Attraktives gehabt, das die Durchschnittsfrauen zwischen 17 und 70 Jahren, unter ihnen Mütter, Krankenschwestern und Schreibkräfte, motivierte, sich im Schatten dieser Männerpartei massiv zu engagieren.« Und weiter: »Als Multiplikatorinnen haben sie den Boden für Hitlers Aufstieg bereitet.«
Die Arbeit der Historikerin räumt indes auch mit der tradierten Vorstellung auf, derzufolge die nationalsozialistische Ideologie den Frauen als Aufgaben nur Küche und Kind, Mutterschaft und Rassenzüchtung zugewiesen habe. Das passte zwar auf den ersten Blick zum männerbündischen, alte Vorurteile mitschleppenden Charakter der Hitler-Bewegung. Aber an den verblüffenden Wahlerfolgen der NSDAP von 1930 bis 1933, dem scharf ansteigenden Anteil von NS-Frauenstimmen, lässt sich ablesen, dass der Hitler-Nimbus und die von ihm ausgehende Faszination nichts von ihrer Wirkung eingebüßt hatten.
patriotinnen Die Frauen – also die »alten Kämpferinnen« –, die der Partei in ihrer Frühzeit beigetreten waren, sahen sich als den Männern gleichwertige Patriotinnen. Viele kamen aus einem nationalbürgerlichen Elternhaus, versehen mit einem tief sitzenden Groll gegenüber den Kommunisten und einer fest verwurzelten antisemitischen Einstellung. 1939 gehörten dann nicht weniger als 20 Millionen Frauen den verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen an. Aber keine einzige Frau saß in einem der Entscheidungsgremien auf der obersten Ebene der NS-Hierarchie.
Katja Kosubeks Arbeit ist ein großer Wurf für die NS-Forschung. Sie widerlegt die Annahme, dass die weibliche Sichtweise auf Hitler und dessen Ideen allenfalls ein Echo männlicher Wahrnehmung darstellt.
Katja Kosubek: »›Genauso konsequent sozialistisch wie national‹. Alte Kämpferinnen der NSDAP vor 1933«. Eine Quellenedition 36 autobiographischer Essays der Theodore-Abel-Collection. Wallstein, Göttingen 2017, 608 S., 42 €